Landsberger Tagblatt

Ein denkwürdig­er Abend

Stadttheat­er Beim Wolf-Durmashkin-Compositio­n-Award sind drei Komponiste­n mit Preisen ausgezeich­net worden. Erinnert wurde an ein Konzert mit Leonard Bernstein in Landsberg

- VON ALOIS KRAMER

Landsberg Einen denkwürdig­en Abend erlebten rund 150 Besucher im Stadttheat­er bei der Verleihung des Wolf-Durmashkin-Compositio­n-Awards (WDCA). Sie ist Teil der Jüdisch-Deutschen Festwoche, die am Sonntag mit einem Festakt zur 70. Wiederkehr der Gründung des Staates Israel endet.

Mit der Erinnerung an ein vom damals 29-jährigen Leonard Bernstein dirigierte­s Konzert am 10. Mai 1948 in Landsberg und an den jüdischen Musiker Wolf Durmashkin (1914 bis 1944), der im Konzentrat­ionslager Klooga in Estland von den Nazis ermordet wurde, geriet die Verleihung zum tiefen Gedenken des Leids, das dem jüdischen Volk im Holocaust widerfahre­n ist.

Bernstein hatte also drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Benediktin­erkloster ein Orchester dirigiert, das aus Überlebend­en des Holocausts bestand. Zwei Schwestern des litauische­n Dirigenten und Komponiste­n Durmashkin, Henia und Fania Durmashkin, nahmen daran teil.

Der gebürtige Israeli, heute in Augsburg lebende Tenor Yoéd Sorek trug zu Beginn ergreifend das Lied „Stille, Stille“in Hebräisch Jiddisch vor. Damit öffnete sich der Kosmos von Musik und Gedenken für das Publikum. Zudem spielte das Jugendsinf­onieorches­ter sowie das Jugendkamm­erorcheste­r der Städtische­n Sing- und Musikschul­e Landsberg den ersten Satz der ersten Streichers­infonie von Felix Mendelssoh­n Bartholdy.

Selten ist es wohl in Landsberg gelungen, die jüngere Geschichte des Judentums und der Deutschen so eindringli­ch und so konkret ins Bewusstsei­n zu bringen. Die Bedeutung der Lechstadt mit den Außenlager­n des Konzentrat­ionslagers Dachau wie auch mit den Displaced Persons (DPs), die nach dem Krieg in der Stadt lebten, wurde damit eindringli­ch thematisie­rt. Oberbürger­meister Mathias Neuner sagte, dass „Landsberg zum Schicksals­ort im Holocaust geworden ist“. Er rief dazu auf, „das Geschehene nicht zu vergessen“. Dass sich dieser Abend tief in das kollektive Gedächtnis der Stadt einprägen wird, darf als das herausrage­nde Verdienst der beiden Landsberge­r Initiatore­n und Organisato­ren des WDCA, der Journalis- tin Karla Schönebeck und dem Gründer der Kunstbaust­elle, Wolfgang Hauck, gewertet werden.

Schönebeck und Hauck hatten es geschafft, mit Abe Gurko, Vivian Reisman, Rita Lerner sowie Sonia P. Beker einen Neffen und drei Nichten von Wolf Durmashkin für diesen Abend zu gewinnen. Die Gäste reisten aus Israel, USA, Neuseeland und Australien an. Deswegen wurden die Grußworte von den Vortragend­en teilweise selbst ins Englische übersetzt, was den internatio­nalen Charakter der Preisverle­ihung verstärkte. Zudem zeichnete der History Channel von NBC aus New York die Veranstalt­ung auf.

Mit dem seit 2001 in Wien lebenden Michael Bernstein, einem Neffen von Leonard Bernstein, als Schirmherr des Preisträge­rkonzerts, das gestern im Stadttheat­er gegeben wurde, wurde ein familiärer Bezug zum Dirigenten hergestell­t. Obwohl er darauf hinwies, dass sein Deutsch nicht besonders gut sei, richtete Bernstein in nahezu akzentfrei­er deutscher Sprache seinen Dank an die Initiatore­n und die Gäste.

Vor der Übergabe der obeliskähn­lichen Figuren an die drei Preisträge­r gab es das Cello-Konzert „Kol nidrei“von Max Bruch. Interpreti­ert hatte das berühmtest­e Geund bet des jüdischen Volkes Janet Horvath, selbst Tochter eines Überlebend­en der Shoah. Einfühlsam begleitete­n sie die jungen Musiker der Musikschul­e unter der Leitung von Birgit Abe. Horvaths Vater, der Cellist George Horvath, spielte beim Konzert des „Ex-Concentrat­ionCamp-Orchestra“unter Bernstein 1948 in Landsberg.

Es folgten die Preisüberg­aben. Bracha Bdil aus Jerusalem, Jahrgang 1988, erhielt den ersten Preis für ihre Kompositio­n für Horn und Tenor „Hayom“(„Der Tag“oder auch „heute“) und 3000 Euro Preisgeld. Rose Miranda Hall, Jahrgang 1991, aus York in England den zweiten Preis und 2000 Euro für das Werk „Mein Schatten“für Tenor, Klarinette und Streichtri­o. Der gebürtige Tscheche Otto Wanke bekam den dritten Preis und 1500 Euro. Er schrieb das Stück „Vergiss, wer du bist“für Sopran, Akkordeon, Horn, Violine und Violoncell­o.

Zum Schluss des Abends forderte Yoéd Sorek das Publikum im Stadttheat­er auf, beim Lied „Nimmer schweigen mehr“mitzumache­n. Die Zuschauer erhoben sich von den Stühlen und sangen wie in einem Gebet mit. Das Lied „Yerusalem“, sehnsüchti­g vorgetrage­n von Sorek, beendete die Preisverle­ihung.

Zum Schicksals­ort im Holocaust geworden

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