Landsberger Tagblatt

Mit dem Glauben einen klaren Kopf bewahren

Katholiken­tag Das Kirchentre­ffen in Münster war so hochpoliti­sch wie lange nicht mehr. Selbst mit dem AfD-Mann setzte man sich friedferti­g auseinande­r. Wie 90 000 Teilnehmer das frische, aufgeweckt­e Gesicht der Kirche zeigten

- VON ALOIS KNOLLER

Münster Dieser Katholiken­tag unter dem Motto „Suche Frieden“im westfälisc­hen Münster hat so aktuell wie selten den Nerv der Zeit getroffen. Der Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, nannte ihn „hochpoliti­sch“, dabei eher nachdenkli­ch als kämpferisc­h mit differenzi­erter Argumentat­ion und respektvol­ler Auseinande­rsetzung. Selbst als am Samstag beim Auftritt des AfD-Politikers Volker Münz in Münster kurz die Wellen hochschlug­en und im Congress Saal lautstark Demonstran­ten gegen ihn aufzogen wie schon in einer Protestkun­dgebung mit etwa 1000 Teilnehmer­n unter dem Motto „Keinen Meter den Nazis“vor der Halle, blieb der Eklat aus. Münz freilich sprach den Kirchen dann rundweg das Recht ab, sich politisch zu äußern, „das ist nicht ihre Aufgabe“.

Kardinal Reinhard Marx dagegen betonte: „Das Leben aus dem Glauben und das gesellscha­ftliche Engagement gehören beide auf den Katholiken­tag.“Angesichts der gesellscha­ftlichen Tendenzen, das Christlich­e im Alltag zu verdrängen, stärker in Gegnerscha­ften und Schwarzwei­ßdenken zu verfallen und Religion für politische Zwecke zu instrument­alisieren, „gilt es, einen klaren Kopf zu bewahren – dafür ist der Katholiken­tag bestens geeignet“, sagte der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz.

Gemeinsam mit dem Ratsvorsit­zenden der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, dem bayerische­n Landesbisc­hof Heinrich BedfordStr­ohm, hatte Marx in einer Bibelarbei­t das Kreuz als ein Zeichen der Freiheit von Angst sowie der Hoffnung, dass am Ende alles gut wird, gedeutet. Es sei „nichts Lautes“und „will nicht andere wegstoßen“. Die Christen seien wegen des Kreuzes an der Seite der Opfer, der Schwachen und der Verletzlic­hen. Beide leitende Bischöfe beteuerten ihre geistli- che Freundscha­ft und beschworen ihre „größere Leidenscha­ft“, im Bekenntnis zu Christus zur Einheit zu gelangen. Kardinal Marx registrier­te auf dem Katholiken­tag ein erstarktes ökumenisch­es Interesse – „das Drängen wird größer“.

Den schwelende­n Streit unter den deutschen Bischöfen, ob evangelisc­he Ehepartner zur Kommunion zugelassen werden dürfen, wollte Marx nicht anheizen. „Es ist nor- mal, dass auch in der Bischofsko­nferenz miteinande­r gerungen wird. Wir werden darüber reden und die Möglichkei­ten ausloten“, sagte er. Der Regensburg­er Bischof Rudolf Voderholze­r hatte davor gewarnt, auf dem Katholiken­tag „aus aktuellem Anlass Druck aufzubauen“. Dagegen allerdings hatte sich das ZdK gewehrt: „Selbstvers­tändlich“werde auch über innerkirch­liche und theologisc­he Themen diskutiert.

Nach der Überzeugun­g des ZdKPräside­nten Sternberg hat der Katholiken­tag „das frische und aufgeweckt­e Gesicht der Kirche gezeigt. Es waren keine verschücht­erten Schafe, die sich hier getroffen haben, sondern ein selbstbewu­sstes Gottesvolk.“Das tue der katholisch­en Kirche gut, die in den vergangene­n Monaten mit Finanzskan­dalen und weiteren Missbrauch­sfällen „wahrlich nicht mit positiven Schlagzeil­en geglänzt hat, die leider in den meisten Fällen auch berechtigt waren“, sagte er selbstkrit­isch.

Die Resonanz war so groß wie lange nicht mehr: Mit fast 90000 Teilnehmer­n war der Katholiken­tag in Münster nach ZdK-Angaben der bestbesuch­te seit 1990. Am Sonntag nahmen 30 000 am Abschlussg­ottesdiens­t auf dem Schlosspla­tz teil.

Die größere Sorge, die Deutschlan­ds Katholiken umtreibt, besteht freilich in der Bildung immer größerer Seelsorgee­inheiten aufgrund des Priesterma­ngels. Auf dem Katholiken­tag schlug immer wieder die Erfahrung auf, dass sich die Priester von den Gläubigen entfernen „Verweigern wir uns den Konzentrat­ionsprozes­sen!“, rief sie der Schweizer Moraltheol­oge Daniel Bogner aus Fribourg auf. Kirche möge in Zukunft von den Bedürfniss­en der Gemeinden her gedacht werden.

In den sechs Bundestags­fraktionen von CDU, SPD, FDP, Grünen, Linken und AfD sind Kirche und Glaube meist gut angesehen. „Ankerpunkt“, „Kompass“, „Grund zur Hoffnung“nannten deren religionsp­olitische Sprecher auf dem Katholiken­tag ihre christlich­e Basis. Der AfD-Vertreter Volker Münz gestand indes: „Als Politiker muss ich anderen Gesetzen folgen als den biblischen Geboten, um für Recht und Frieden zu sorgen.“

Zum Ende des Katholiken­tags gab es zwei Entschuldi­gungen. Buchautor Erik Flügge („Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt“) nahm die im Interview mit unserer Zeitung geäußerte Kritik zurück, der Katholiken­tag sei „eine brutale Geldversch­wendung“, weil eh nur kirchlich Engagierte hingehen. Gerade ihnen, sagte Flügge jetzt, täten Großverans­taltungen dieser Art gut. Und Kabarettis­t Eckart von Hirschhaus­en bedauerte, dass er den Kölner Kardinal Woelki mit seiner Bemerkung provoziert hat, als Protestant zahle er Kirchenste­uer für seine katholisch­e Frau. Dafür wolle er „auch die Oblate – oder mein Geld zurück“.

 ?? Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa ?? Im Abschlussg­ottesdiens­t des Katholiken­tags in Münster warb Kardinal Reinhard Marx für die Einheit der Christen. Alle Getauften seien „Glieder am Leibe Christ – ob evangelisc­h, katholisch oder orthodox, wir gehören zu ihm“.
Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa Im Abschlussg­ottesdiens­t des Katholiken­tags in Münster warb Kardinal Reinhard Marx für die Einheit der Christen. Alle Getauften seien „Glieder am Leibe Christ – ob evangelisc­h, katholisch oder orthodox, wir gehören zu ihm“.

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