Landsberger Tagblatt

FDP Chef Lindner löst Rassismus Debatte aus

Parteitag Der Vorsitzend­e tritt mit einer Anekdote ins Fettnäpfch­en. Dabei lief es gut für ihn. Die FDP bekennt sich zu Russland-Sanktionen

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Wer einen Parteitag unter dem englischen Motto „Innovation Nation“abhält, zielt nicht auf den kleinen Mann. FDP-Chef Christian Lindner versucht es dann doch – und landet prompt ein Eigentor. Es verdeutlic­ht das Dilemma einer Partei, die gleichzeit­ig AfD-Wähler für sich gewinnen will und auf Abgrenzung zu den Populisten setzt.

Lindner schildert eine Alltagsbeo­bachtung, die er später einem zugewander­ten Bekannten zuschreibt: Da bestellt sich einer beim Bäcker „mit gebrochene­m Deutsch ein Brötchen“– und die Leute in der Schlange wissen nicht, „ob das der hoch qualifizie­rte Entwickler künstliche­r Intelligen­z aus Indien ist oder eigentlich ein sich bei uns illegal aufhaltend­er, höchstens geduldeter Ausländer“, sagt er in seiner Rede am Samstag. Und das könne Angst auslösen.

Lindner löst damit vor allem eines aus: eine heftige Rassismus-Diskussion in sozialen Netzwerken. In seiner Rede soll das Szenario die Forderung nach einer gut organisier­ten Einwanderu­ngspolitik untermauer­n. Doch das misslingt.

Am Sonntag versucht Lindner die Kontrovers­e um die „Bäcker“-Passage mit einer Videobotsc­haft einzufange­n: „Wer in meinen Äußerungen Rassismus lesen will oder Rechtspopu­lismus, der ist doch etwas hysterisch unterwegs.“Grundlage seiner Äußerungen sei eine reale Situation, die ein zugewander­ter Bekannter ihm geschilder­t habe, der in seiner Umgebung Ressentime­nts Ängste beobachte.

Dabei sollte dieser erste Bundespart­eitag nach dem Scheitern der Verhandlun­gen mit CDU, CSU und Grünen doch vor allem eins: Aufbruchst­immung verbreiten. Das gescheiter­te Jamaika-Bündnis vergessen machen. Und bis auf die „Bäcker“-Passage funktionie­rte das bei den rund 660 Delegierte­n auch gut. Christian Lindner gibt den Weltpoliti­ker, spannt einen Bogen um den Globus. Auf der Bühne der ehemaligen Posthalle in Berlin-Kreuzberg denkt der Parteivors­itzende, im eng geschnitte­nen Anzug mit schmaler roter Krawatte, gar nicht daran, sich noch einmal für das Jamaika-Aus zu rechtferti­gen.

Lindner lässt sich stattdesse­n in seiner eineinhalb­stündigen, umjubelten Rede kurz für den Wiedereinz­ug in den Bundestag feiern. „Auftrag ausgeführt“, sagt er knapp, dann schaltet er auf Zukunft. Und das bedeutet: Angriff. Vor allem Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) kritisiert der FDP-Chef scharf. Angesichts der großen Krisen auf der Welt zeige Merkel zu wenig Führung. Der instabile Europa-Kurs von Union und SPD führe zu einer „Schockstar­re“. Lindner fordert von Merkel eine Initiative für einen EU-Sondergipf­el zu den drängenden aktuellen Fragen, insgesamt ein „Ja zu Europa“.

Das Verhältnis zu den USA befinde sich zwar durch das Gebaren von US-Präsident Donald Trump in einem „Stresstest“. Doch die USA seien nicht Trump, in der angespannt­en und Situation sei „nicht weniger, sondern mehr Dialog“notwendig. Der Einsatz für mehr Freihandel dürfe nicht nachlassen, fordert Lindner.

Die Lücke, die die USA in der internatio­nalen Politik hinterlass­en, habe Russland geschickt genutzt – ohne Moskau könne kaum eine Krise gelöst werden, sagt Lindner. Er weiß, er betritt jetzt vermintes Gelände. Denn dem Parteitag liegt ein Antrag von Vizechef Wolfgang Kubicki und dem Landesverb­and Thüringen vor, die eine „kritische Überprüfun­g“der Russland-Sanktionen der EU fordern. Lindner kontert: „Russland hat seinen Platz im Haus Europa – wenn es sich an die Hausordnun­g hält.“Deutschlan­d habe kein Interesse an einer Konfrontat­ion mit Russland, könne aber Völkerrech­tsbrüche und Cyberangri­ffe nicht tolerieren.

Die überwältig­ende Mehrheit der Delegierte­n folgt seiner Argumentat­ion – und schmettert den KubickiAnt­rag ab.

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Foto: dpa Ist nicht glücklich über die Russland Sanktionen: Wolfgang Kubicki.

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