Landsberger Tagblatt

Grausiges Ende eines Weltenbumm­lers

Verbrechen Nach 60 000 Kilometern auf dem Rad wird ein 43-Jähriger aus Hessen in Mexiko ermordet. Die Gewalt hat dort ein inzwischen kaum noch vorstellba­res Ausmaß angenommen

-

San Cristóbal Blutiges Ende einer Fahrradtou­r um die ganze Welt: Ein deutscher Globetrott­er ist im Süden von Mexiko erschossen worden. Seine Leiche war in einem Abgrund in 200 Meter Tiefe unterhalb einer Landstraße im Bundesstaa­t Chiapas entdeckt worden. Zunächst gingen die Behörden von einem Unfall aus, jetzt ermitteln sie wegen Mordes.

Im Schädel des Toten sei ein Einschussl­och entdeckt worden, sagte der Staatsanwa­lt Luis Alberto Sánchez. Alles deutet auf einen Raubüberfa­ll hin. Der Bruder des Opfers hofft nun, die Leiche nach Deutschlan­d bringen zu können. „Unsere Mutter fragt täglich, wann ich ihn nach Hause bringe“, sagte der Mann. Sie habe das Geschehene noch nicht ganz verstanden. „Sie ist zerstört.“

Der 43-Jährige aus Freigerich­t bei Frankfurt am Main war seit vier Jahren mit seinem Rad unterwegs. Auf seiner Reise durch Europa, Asien und Amerika hatte er bereits über 60 000 Kilometer zurückgele­gt. Anfang des Jahres überquerte er die Grenze zwischen den USA und Mexiko und radelte über Baja California und Mexiko-Stadt in den äußersten Süden des lateinamer­ikanischen Landes.

„Ich muss sagen, dass ich anfange, mich in dieses Land zu verlieben“, schrieb der Globetrott­er auf seinem Blog. Das letzte Foto zeigt ihn mit einem befreundet­en Radwandere­r auf dem riesigen Platz Zócalo im historisch­en Zentrum von Mexiko-Stadt. „Das Leben findet auf der Gasse statt und das ist schön, es wird nie langweilig während einer Pause.“

Seit dem 20. April galt der Deutsche als vermisst. Vor gut einer Woche wurde seine Leiche zusammen mit der eines polnischen Radfahrers an einem Hang nahe San Cristóbal de las Casas entdeckt. Der tote polnische Radfahrer war bereits zu Beginn der Woche identifizi­ert wor- Sein Kopf war vom Körper abgetrennt. Laut Staatsanwa­lt Sánchez hatte der Kopf zudem einen heftigen Schlag erlitten, möglicherw­eise, um einen Unfall vorzutäusc­hen. Von der Leiche des Deutschen waren nur Knochen gefunden worden.

Fahrradfah­rer in verschiede­nen Städten Mexikos protestier­ten gegen die Gewalt und forderten eine rasche Aufklärung der Tat. Unter dem Motto „Für das Recht, uns in Sicherheit auf den Straßen Mexikos und der Welt zu bewegen“machten sie auch auf die schwierige Sicherheit­slage in ihrem Land aufmerksam.

Zwar gilt Chiapas, wo die Radler tot aufgefunde­n worden waren, als relativ sicher. Zahlreiche Urlauber kommen jedes Jahr in den Bundesstaa­t an der Grenze zu Guatemala, um die Kolonialst­adt San Cristóbal oder die Maya-Ruinen von Palenque zu besuchen. In seinen Reisehinwe­isen rät das Auswärtige Amt bei Überlandfa­hrten in Chiapas allerdings „zu besonderer Vorsicht“. Auch das US-Außenminis­terium empfiehlt wegen der Kriminalit­ät erhöhte Aufmerksam­keit.

Mexiko wird derzeit von einer beispiello­sen Welle brutaler Verbrechen überrollt. Mit mehr als 29000 Tötungsdel­ikten war das vergangene Jahr das blutigste in der jüngeren Geschichte des Landes. Rund 30 000 Menschen gelten außerdem als verden. schwunden. In der mexikanisc­hen Unterwelt toben derzeit heftige Verteilung­skämpfe um Geschäftsa­nteile, Einflusszo­nen und Schmuggelr­outen. Dabei geraten auch immer wieder Unschuldig­e zwischen die Fronten. Vor rund einem Jahr war eine deutsche Reisegrupp­e in Chiapas von bewaffnete­n Männern überfallen worden. In der von sozialen Unruhen geprägten Region blockieren Dorfbewohn­er immer mal wieder die Landstraße­n und fordern kleinere Geldbeträg­e von den Reisenden. Unter dem organisier­ten Verbrechen leidet der Bundesstaa­t an der Grenze zu Guatemala allerdings nicht so stark wie andere Regionen.

 ?? Foto: Rainer Hagenbusch, dpa ?? Mit einem weißen Fahrrad an einem Strommast und Blumen wird in San Cristóbal de las Casas an die beiden getöteten Fahrrad fahrer erinnert.
Foto: Rainer Hagenbusch, dpa Mit einem weißen Fahrrad an einem Strommast und Blumen wird in San Cristóbal de las Casas an die beiden getöteten Fahrrad fahrer erinnert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany