Wirt und Lebenskünstler
Nachruf Mit Sebastian „Wastl“Portenlänger verliert Schondorf eine prägende Persönlichkeit. Er starb mit 64 Jahren
Schondorf Schondorf trauert um Sebastian Portenlänger. Der beliebte Wirt („Zum Wastl“) ist nach langer Krankheit am Donnerstag in einer Herrschinger Klinik gestorben. Er wurde 64 Jahre alt. Mit dem Wastl verliert Schondorf nicht nur einen Gastgeber wie aus dem Bilderbuch, sondern auch eine angesehene und beliebte Persönlichkeit, man könnte auch sagen, eine Institution, die Schondorf geprägt hat, und zwar nicht nur als Gastwirt, der er fast vier Jahrzehnte war.
Mit den Leuten umzugehen, das war etwas, das der Wastl wie kaum ein anderer beherrschte. Wer bei ihm kehrte, fühlte sich nicht als zahlender Kunde, sondern wie ein willkommener Freund, egal wie viel gerade los war (und es war eigentlich immer viel los). Auch wenn für ihn ein arbeitsreicher Sonntag allmählich zu Ende ging, konnte man mit dem Wastl noch lange am Stammtisch sitzen, über das reden, was gerade so im Dorf passierte, oder von früher, denn auch Wastls Vater, geboren 1912, war zu Lebzeiten dort anzutreffen und wusste praktisch alles, was seit dem Ersten Weltkrieg in Schondorf passiert war. Der Wastl selbst stand dem Vater da wenig nach, wenngleich er natürlich auch wusste, wem er was erzählen konnte. Für einen Lokalredakteur jedenfalls war der Stammtisch beim Wastl immer eine Fundgrube an Informationen, die man nicht gleich hinausposaunte, aber meist kam der Moment, an dem es gut war, beim Wastl schon einmal etwas von einer Sache gehört zu haben...
Beim Wastl spielte sich das dörfliche Leben in Unterschondorf nicht erst ab, seitdem er am 15. Januar 1980 sein Gasthaus eröffnet hatte. Die Portenlängers waren, nachdem Wastls Großeltern, die aus der Gegend zwischen München und Tölz stammten, 1911 die Villa Mader an der Bahnhofstraße gekauft hatten, zuvor fast 70 Jahre Besitzer eines Kaufhauses gewesen. Als Wastls Vater sich Ende der 1970er-Jahre aus dem Geschäft zurückzog, wurde aus dem Kaufhaus der Gasthof „Zum Wastl“– mit einem so authentisch bayerischen Ambiente, dass man meinen konnte, ein altes Traditionswirtshaus zu betreten. Hier erblühte in Zeiten, in denen immer mehr Wirtschaften geschlossen oder modernisiert wurden, noch die bairische Wirtshauskultur – mit einer behaglichen Stube, einer süffigen Getränkeauswahl und einer Speisekarte, die über all die Jahre zwar eine unverkennbare Linie aufwies, aber immer wieder überraschte, und schon saisonal und regional war, bevor diese Begriffe inflationär wurden.
Das Kochen hatte der Wastl ab 1969 in einem damals weithin bekannten Nobel-Restaurant, dem „Gunzenlee“in Kissing, gelernt. Im Gunzenlee fand der Wastl auch sein persönliches Lebensglück – seine Helga, die er kurz vor der Eröffnung seines Wirtshauses heiratete. Mit ihr hatte er zwei Töchter.
Zum Wastl kamen alle. Die Landheim-Schüler, die Ausflügler und Urlauber, die Geschäftsleute in Unterschondorf trafen sich dienstags zum Stammtisch. Ein Anziehungspunkt war der Wastl auch immer für die Künstler und Lebenskünstler, nicht zuletzt, weil der Wirt doch auch ein solcher war. An den Ruhetagen widmete er sich in der Werkstatt hinterm Haus dem Drechseln oder spielte Tenorhorn.
Nach gut 30 Jahren trat der Wastl etwas kürzer. 2011 verkleinerte er sein Wirtshaus zugunsten einer Ferienwohnung und hatte nur noch wochentags zu Mittag geöffnet. Die geselligen Abende am Stammtisch waren Vergangenheit, doch es war dem Wastl zu gönnen, dass er nun an Sonn- und Feiertagen mehr Zeit hatte für seine Hobbys und um die bayerische Lebensart, um die er sich als Wirt so verdient gemacht, selber mehr genießen zu können.
Am Stammtisch ließ es sich gut aushalten