Landsberger Tagblatt

Die Macht der Farbe

- VON MICHAEL BÖHM bmi@augsburger allgemeine.de

Wer schon mal gemalt hat oder wenigstens spätnachts eine dieser einschläfe­rnden Sendungen mit dem amerikanis­chen Landschaft­smaler Bob Ross gesehen hat, weiß, was Farbe bewirken kann. Da wird aus ein paar Pinselstri­chen ein Baum, ein Wald und innerhalb weniger Minuten ein Kunstwerk. Ob sich die Betreiber des Münchner Olympiasta­dions an Ross ein Beispiel genommen haben, ist nicht bekannt. Wohl aber, dass sie ebenfalls auf die Macht der Farbe setzen. Weil die altehrwürd­ige, orangefarb­ene Laufbahn im Stadion für den Schwerverk­ehr bei Großverans­taltungen nicht geeignet war, musste sie vor längerem tristgraue­m Asphalt weichen. Der war ziemlich hässlich, wie viele befanden, also griff die Olympiapar­k GmbH zur Pinsel und Farbe und bemalte den Asphalt nun kurzerhand mit einer orangefarb­enen Laufbahn.

Ein cleverer Schachzug – der freilich nicht ganz neu ist. Es gibt zahllose Beispiele, in denen ein neuer Anstrich einem alten Antlitz neuen Glanz verliehen oder es zumindest versucht hat. Die schäbige Eckkneipe wurde dank ein bisschen Farbe zur schicken In-Bar, der Betonklotz dank farbiger Akzente zu moderner Architektu­r und der moosfarben­e Freund und Helfer dank blauer Uniform zum modernen Polizisten. Und auch in der Politik sind Farbenspie­le ein beliebtes Handwerksz­eug. Da gibt sich die ewig-gelbe FDP nach einem historisch schlechten Wahljahr einen lila Farbtupfer, um bald wieder mitreden zu dürfen. Da werden weißblaue Flaggen geschwenkt, um anti-europäisch­e Tendenzen als pro-bajuwarisc­he zu verkaufen. Und da werden braune Gedanken als blau-rot-weiße „Alternativ­en“getarnt. Bleibt zu hoffen, dass es in der Politik so läuft wie im wahren Leben: Schlechte Farbe blättert eines Tages ab. Und dann ist so ein Kunstwerk meist nicht mehr viel wert.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany