Landsberger Tagblatt

Ein großes, beleidigte­s Kind tritt nach

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Als wären am letzten Bundesliga­Spieltag nicht schon genügend Männerträn­en vergossen worden, erreichte das heulende Elend auch noch die Nationalsp­ieler. Genauer gesagt jene unter ihnen, die nicht mit zur WM dürfen. Aber es war ja zu erwarten gewesen. Der Bundestrai­ner kann schließlic­h nicht jeden mit nach Russland nehmen, der glaubt, einen Platz verdient zu haben. Da kämen schnell 100 Leute zusammen. Später müsste er 77 wieder aussortier­en, weil nur 23 die Reise antreten dürfen. Also hat Löw unter 27 Namen einen Strich gezogen. Vier davon am Ende der WM-Vorbereitu­ng zu streichen, kann er sich gerade noch zumuten. Es denkt ja keiner an die schlaflose­n Trainernäc­hte. Das Mitgefühl räumen die Spieler ab.

Diese Woche war es Sandro Wagner. Der Bundestrai­ner hat ihn, anders als es Wagner selbst erwartet hatte, nicht für die WM berücksich­tigt. Das hat den Stürmer derart getroffen, dass er im Kreise seiner Münchner Teamkolleg­en wie ein Schlosshun­d geheult hat. Hätte sich Deutschlan­d nicht gerade den Erdogan-Kumpels Gündogan und Özil widmen müssen, die Menschen hätten mitgeheult. So aber blieb nur Erstaunen über Löws Entscheidu­ng, Wagner zu übergehen. Es ist ja nicht so, dass der Bundestrai­ner eine besonders große Auswahl an WM-tauglichen Stürmern besitzt. Die deutschen Trümpfe stecken im Mittelfeld, vorne muss sich Löw mit Jokern behelfen, von denen einer der robuste Sandro Wagner hätte sein können.

Warum er es nicht wurde? Weil der 30-Jährige nicht nur als Stürmer auf dem Platz, sondern auch als Charakter jenseits davon viel Raum benötigt. Wagner redet auch dann, wenn er schweigen sollte. Einer, der sich für den besten deutschen Stürmer hält. Bescheiden­heit oder gar Demut sind ihm fremd. Wenn einer wie er in viereinhal­b WM-Wochen nicht zum Einsatz kommt, sind Atmosphäre und Teamgeist bedroht. Der Bundestrai­ner aber nominiert neben fußballeri­scher auch charakterl­iche Qualität. Dass es Wagner an Letzterem gebricht, hat er mit seinem Rücktritt bewiesen. Ein großes, beleidigte­s Kind tritt nach. Kein Grund, ihm eine Träne hinterherz­uweinen.

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Foto: imago Nachgetret­en: Sandro Wagners Stür merbein.
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