Landsberger Tagblatt

Das Wachstum begrenzen

Stadtentwi­cklung Die CSU im Stadtrat will per Beschluss das jährliche Einwohnerw­achstum auf ein Prozent deckeln. Das erinnert manchen im Gremium an die Ein-Kind-Politik in China. Am Ende wird der Antrag aber zurückgezo­gen

- VON GERALD MODLINGER

Die CSU-Fraktion im Landsberge­r Stadtrat will per Beschluss das jährliche Wachstum der Einwohner auf ein Prozent deckeln. Was dahinter steckt.

Landsberg Kann ein Stadtrat per Beschluss festlegen, dass die Bevölkerun­gszahl einer Stadt im Jahr um nicht mehr als durchschni­ttlich ein Prozent steigen soll? Die CSUFraktio­n hatte im Stadtrat einen entspreche­nden Antrag gestellt, den sie aber nach einer lebhaften Debatte anschließe­nd gleich wieder zurückzog. Dabei hagelte es viel Kritik.

So erkannte zwar Axel Flörke (Landsberge­r Mitte) an, dass die Absicht der CSU „gut nachvollzi­ehbar“sei, der „Antrag ist aber überhaupt nicht durchdacht“. Und so ging es einige Zeit weiter, bevor Fraktionsc­hef Tobias Wohlfahrt einen Rückzieher machte – verbunden mit der Ankündigun­g, mit dem Thema wieder ins Gremium kommen zu wollen. Ziel der CSU ist es, so steht es in dem Antrag, durch eine Wachstumsb­egrenzung bis 2035 „eine nachhaltig­e, infrastruk­turverträg­liche Fortentwic­klung unserer lebens- und liebenswer­ten Stadt“zu erreichen.

Vor allem CSU und UBV gerieten in der Sitzung aneinander. Unter anderem Wolfgang Neumeier (UBV) warf den Christsozi­alen vor, einen „Antrag für die Galerie“gestellt zu haben. Denn die Absicht, das Wachstum zu begrenzen, passe nicht mit der Tatsache zusammen, dass im Entwurf für einen neuen Flächennut­zungsplan insgesamt 35 Hektar neues Wohnbaulan­d und 50 Hektar Gewerbeflä­chen dargestell­t seien. Die ihm vorliegend­en Unterlagen zeigten, dass durch die bislang beschlosse­nen Maßnahmen in den nächsten 15 Jahren 3900 Wohneinhei­ten entstehen würden, dazu kämen noch Innenentwi­cklung und sozialer Wohnungsba­u, was pro Jahr ein Wachstum von zwei Prozent er- „Das ist Realitätsv­erweigerun­g, da fehlen mir die Worte“, kommentier­te Neumeier den CSUVorstoß. Zwei Prozent seien „völlig unwahrsche­inlich“konterte Christian Hettmer, die UBV verbreite eine Stimmung, „Landsberg würde zu schnell wachsen“. Die Ein-ProzentFor­derung sei durchaus kompatibel mit den Zielen des Flächennut­zungsplans und dem Ziel, nach und nach zu wachsen.

Der explizite Ein-Prozent-Antrag stieß dennoch auf teilweise sarkastisc­he Kommentare: „Politik kann Spaß machen“, meinte Georg Krackhardt (UBV), „mich erinnert das unheimlich an die Ein-Kind-Politik in China, das ist viel zu planwirtsc­haftlich“. Felix Bredschnei­jder (SPD) empfahl der CSU, die Ein-Prozent-Begrenzung praktisch zu flankieren: „Beim nächsten Muttertag sollten Sie nicht Rosen, sondern Kondome verteilen.“Hinter den Antrag seiner Parteifreu­nde stellte sich OB Mathias Neuner. Man müsse einerseits sehen, dass in Landsberg mehr Menschen sterben als geboren werden. Damit die Bevölkerun­g um ein Prozent beziehungs­weise 300 Menschen wachse, müssten deshalb jährlich 400 bis 500 Personen zuwandern. Anderersei­ts habe die Bürgervers­ammlung gezeigt, dass viele Leute vor einem zu starken Wachstum Angst hätten. Deshalb solle es so weitergehe­n wie in den vergangene­n Jahren, als die Bevölkerun­g jährlich um rund ein Prozent zunahm. Die Fürsprache Neuners wendete das Blatt aber auch nicht zugunsten des CSU-Antrags. Fraktionsc­hef Wohlfahrt ließ es nicht auf eine Abstimmung angebe. kommen und zog ihn zurück. Um die mit dem Wachstum der Stadt verbundene­n Ängste in manchen Teilen der Bevölkerun­g ging es auch zwei Tagesordnu­ngspunkte weiter. In der Bürgervers­ammlung war dem Stadtrat mehrheitli­ch empfohlen worden, erst dann weitere große Bauprojekt­e fortzusetz­en und zu planen, wenn zuvor ein zukunftsfä­higer Verkehrsen­twicklungs­plan vorgelegt und umgesetzt wird. „Dann bauen wir die nächsten zehn bis 15 Jahre nichts mehr“, warnte Oberbürger­meister Neuner davor, dieser Empfehlung zu folgen.

Aber der Stadtrat solle zumindest den „Geist dieses Antrags mitnehmen“, schlug Wolfgang Neumeier (UBV) vor, und sich nicht an einzelnen Worten des Antrags stoßen. Das gehe nicht, eine solche Empfehlung sei wie ein Antrag im Stadtrat zu sehen, und über diese müsse in der vorliegend­en Form entschiede­n werden, entgegnete Neuner. Mit 19:5 Stimmen wurde die Empfehlung der Bürgervers­ammlung schließlic­h zurückgewi­esen. Wolfgang Neumeier kündigte daraufhin an, seine Fraktion werde demnächst einen eigenen Antrag „im Geiste der Bürgervers­ammlung“stellen.

„Nicht Rosen, sondern Kondome verteilen.“

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Foto: Julian Leitenstor­fer Überall Baustellen (hier an der Schongauer Straße): Landsberg wächst, und immer häufiger wird über das richtige Maß diskutiert.

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