Diesmal wirkt die Kanzlerin gelöster
Diplomatie Angela Merkel zum „Uhrenvergleich“bei Wladimir Putin. Sie finden Gemeinsamkeiten. Aber alte Konfliktpunkte bleiben. Und Russlands Präsident preist sein billiges Gas an
Sotschi Es ist ein Vier-Augen-Gespräch. Und doch ist immer ein dritter Gast dabei, ein unsichtbarer, der die Agenda bereits zuvor festgelegt hat. Als Russlands Präsident Wladimir Putin die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel auf seiner Datscha am Rande der ehemaligen Olympiastadt Sotschi empfängt, ist der US-Präsident Donald Trump stets präsent, ohne natürlich am Schwarzen Meer dabei zu sein.
Er ist es, der Moskau und Berlin wieder einander näher bringt, sodass manche da bereits vorschnell von einem Neustart in den Beziehungen sprechen. Trump hat mit seinem einseitigen Aufkündigen des Atom-Abkommens mit Iran europäische Interessen brüskiert. Das transatlantische Verhältnis ist dadurch an einem neuen Tiefpunkt angelangt. Doch hat er Berlin, ja Europa so vergrault, dass die Deutschen sich nun Moskau zuwenden?
Den Dialog zwischen Deutschen und Russen hat es selbst nach der Annexion der Krim und dem kriegerischen Eingreifen Moskaus im Donbass – der härtesten Prüfung in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen – stets gegeben, wenn auch in abgekühlter Form. Vor einem Jahr und zwei Wochen war Merkel ebenfalls in Sotschi bei Putin. Eine unterkühlte Begegnung, die Merkel mit dem Satz „Wir reden immer über das Gleiche“nüchtern kommentierte.
Dieses Mal wirkt Merkel unter der Sonne des Schwarzmeer-Kurortes gelöster. Mit weißen Rosen des Präsidenten in der Hand wendet sie sich mit ein paar russischen Begrüßungsfloskeln auch Russlands Premier Dmitri Medwedew zu, der dem alten und neuen Präsidenten an diesem Tag auch die neue russische Regierungsmannschaft vorstellt. Sie weiß, dass die gemeinsame Sorge um den Iran-Deal die Differenzen mit Moskau lediglich relativiert, sie aber nicht beilegt.
Nur einen Tag zuvor hat Putin an gleicher Stelle den syrischen Machthaber Baschar al-Assad empfangen. Russlands selbstverständliche Umgang mit dem Diktator ist für den Westen ein Affront. Merkel lässt sich nichts anmerken. Sie weiß, dass derzeit nicht Syrien das Problem Nummer eins ist. Es geht bei diesem eineinhalbstündigen Treffen, wie es Putins Sprecher Dmitri Peskow im Vorhinein ausdrückt, um einen „Uhrenvergleich“zu wichtigen internationalen Problemen.
Beim Thema Iran ticken die Uhren fast gleich. Das Atom-Abkommen ist auch dank des guten Verhältnisses Moskaus zu Teheran zustande gekommen. Nun hoffen Berlin und Brüssel, dass es den Russen gelingt, die Iraner von einem Ausstieg aus dem Abkommen abzuhalten. Das ist bereits beim Besuch von Außenminister Heiko Maas wenige Tagen zuvor in Moskau deutlich geworden. „Es ist besser, als kein Abkommen zu haben“, sagt Merkel in ihrer gewohnt sachlichen Art.
Putin kommt eine europäische Hinwendung nach Moskau gelegen, da er sie als Chance für die Durchsetzung eigener Interessen sieht. Amerikanischem Druck zum Trotz wollen Putin und Merkel am Erdgas-Pipeline-Projekt Nord Stream 2, das längst zum Politikum geworden, festhalten und möglichen Schaden abwenden. Putin sagt, er verstehe Donald Trumps Haltung: „Er verteidigt die Interessen seiner Unternehmer, und er will sein Produkt (US-Flüssiggas) auf dem europäischen Markt verkaufen.“Doch dieses sei schätzungsweise um bis zu 30 Prozent teurer als russisches Gas, das durch Pipelines geliefert werde.
Zugleich versuchen beide Politiker, Sorgen der Ukraine zu zerstreuen, durch die Pipeline wichtige Transiteinnahmen zu verlieren. Der Bau der 1230 Kilometer langen Röhre durch die Ostsee hat vor wenigen Tagen begonnen. Merkel besteht darauf, die Ukraine nicht auszugrenzen. Das sei von strategischer Bedeutung. Putin versichert, Russland hätte nichts dagegen, mit dem Nachbarland zusammenzuarbeiten. Allerdings unter einer Voraussetzung: Der Gastransport via Ukraine erweise sich als wirtschaftlich.
Natürlich kommt auch für Putin Unangenehmes zur Sprache: die mangelnde Pressefreiheit in seinem Land zum Beispiel. Sie sei „durchaus beunruhigt“über die Behinderung der Arbeit von Journalisten in
Ein Tag zuvor saß an gleicher Stelle Syriens Machthaber
Unterschiedliche Sorgen um die Pressefreiheit
Russland, sagt Merkel. Und sie meint dabei nicht nur die zeitweilige Weigerung Russlands, den ARDDopingexperten Hajo Seppelt zur Fußball-WM einreisen zu lassen. Putin bringt daraufhin die kürzliche Festnahme des russischen Journalisten Kirilo Wischinski in der Ukraine ins Spiel. Ein Fall für Merkel? Sie will es demnächst in Kiew ansprechen, sagt aber in Sotschi auch: Sie werde es genauso machen „wie ich hier in Russland auch angesprochen habe die Fälle von Journalisten, die hier verhaftet werden oder ihre Arbeit nicht leisten können“.