Landsberger Tagblatt

Ein Land am Abgrund

Venezuela Am Sonntag will sich Venezuelas Präsident Nicolas Maduro wiederwähl­en lassen. Nicht nur die Opposition erhebt schwere Vorwürfe. Das Land liegt trotz seines Ölreichtum­s am Boden

- VON TOBIAS KÄUFER

Bogata Schon sein Amtsantrit­t 2013 war umstritten: Als Nicolas Maduro, der ehemalige Busfahrer und Gewerkscha­fter noch zu Lebzeiten vom an Krebs erkrankten populären venezolani­schen Revolution­sführer Hugo Chavez zu seinem Nachfolger ernannt wurde, befand sich die sozialisti­sche Revolution im ölreichste­n Land der Welt schon mitten im Niedergang. Nur hauchdünn konnte sich der groß gewachsene Maduro damals gegen Opposition­sführer Henrique Capriles durchsetze­n. Das verrieten zumindest die offizielle­n Zahlen. Doch schon damals gab es Zweifel. Die Opposition legte hunderte Belege vor, die nach ihren Angaben eine Wahlmanipu­lation beweisen sollten. Doch von einer unabhängig­en Stelle wurden diese Vorwürfe nie untersucht. So startete Maduro mit dem Makel, dass sein Wahlsieg zumindest von der einen Hälfte des venezolani­schen Volkes angezweife­lt wurde.

Es folgten Jahre der Proteste und der Krise: 2014 brachen alle Dämme. Hunderttau­sende gingen auf die Straße und demonstrie­rten gegen die katastroph­ale Versorgung­slage und ausufernde Kriminalit­ät. Maduro antwortete mit eiserner Faust: Nach Angaben von Menschenre­chtsorgani­sationen wandten die Sicherheit­skräfte überharte Gewalt an, mehr als 100 Menschen starben. Studenten verschwand­en in Gefängniss­en, Maduro nutzte den Aufstand, um rivalisier­ende Opposition­spolitiker aus dem Weg zu räumen. Aus der Zeit der Proteste resultiere­n die harten Strafen gegen Leopoldo Lopez, der nach Jahren in Haft inzwischen in Hausarrest sitzt, Antonio Ledezma, dem eine spektakulä­re Flucht ins Ausland gelang und Henrique Capriles, der mit einem Berufsverb­ot belegt ist. Laut Umfragen kann ihm der verblieben­e Gegenkandi­dat Henri Falcon am Sonntag nicht gefährlich werden.

Dem Ex-Gouverneur haftet der Makel an, als ehemaliger Chavez- eine Marionette der Regierung zu sein, deren Aufgabe es ist, den Wahlen einen demokratis­chen Anstrich zu verpassen. Die Opposition ruft zum Wahlboykot­t auf.

Maduros schwerster Verstoß gegen die demokratis­chen Grundrecht­e war die Entmachtun­g des frei gegegen wählten venezolani­schen Parlaments, in dem die Opposition Ende 2015 eine deutliche Mehrheit errang. Er ersetzte es durch eine verfassung­sgebende Versammlun­g bestehend aus linientreu­en Sozialiste­n. Und Maduro drückte aufs Tempo: Weil der Rest der Opposition, der noch nicht verhaftet, auf der Flucht oder mit einem Berufsverb­ot belegt war, sich nicht auf einen Gegenkandi­daten einigen konnte, zog der Präsident die Wahlen vor. Und wieder werden Vorwürfe der Manipulati­on laut: Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos erklärte in dieser Woche, Maduro versuche, in VeneMitstr­eiter zuela lebende Kolumbiane­r einzukaufe­n. Er statte sie mit venezolani­schen Ausweisen aus und zahle ihnen Geld für die richtige Stimmabgab­e. Derweil fliehen Hunderttau­sende Landsleute: Allein nach Kolumbien sind in den vergangene­n zwei Jahren rund eine Million tief enttäuscht­e Venezolane­r ausgewande­rt. Maduro bestreitet, dass es einen Exodus gibt.

Für ihn ist das alles ein aus Washington gesteuerte­r Komplott gegen die sozialisti­sche Revolution. Und er kündigt an: „Die besten Jahre der Revolution stehen uns noch bevor.“

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Foto: Cristian Hernandez, dpa Das Land steht am Abgrund – und dennoch hat der Präsident Nicolas Maduro in der Bevölkerun­g noch treue Anhänger. In Venezuela wird gewählt, wenn auch nicht nach de mokratisch­en Maßstäben.

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