Landsberger Tagblatt

Eichstätt: Ist der Bischof überforder­t?

Hintergrun­d Drei Monate nachdem der Eichstätte­r Finanzskan­dal öffentlich wurde, haben viele Katholiken der Kirche den Rücken gekehrt. Trägt Bischof Hanke genug zur Aufklärung bei?

- VON DANIEL WIRSCHING UND STEFAN KÜPPER

Eichstätt Wenn an diesem Pfingstson­ntag der Eichstätte­r Bischof Gregor Maria Hanke im Dom das Pontifikal­amt zelebriere­n und die Gemeinde „Komm, Schöpfer Geist“anstimmen wird, dann werden nicht alle Kirchgänge­r festlich gestimmt sein. Drei Monate nach Bekanntwer­den des Finanzskan­dals um fragwürdig­e Immobilien­geschäfte des Bistums, der bundesweit Schlagzeil­en machte, ist die Stimmung weiterhin angespannt.

Engagierte Katholiken werfen dem Bischof vor, seiner Verantwort­ung nicht gerecht geworden zu sein. Ein Priester aus dem Bistum sagte nun: Viele seien empört, innerhalb der Kirche herrsche Misstrauen. Er glaube nicht, sagte der Priester, dass Hanke den Finanzskan­dal ehrlich und vollständi­g aufarbeite­n wolle.

Für eine Verlustbil­anz ist es zu früh. Wie viel Geld der Diözese am Ende fehlen könnte, ist noch unklar. Verloren aber – so viel steht fest – hat die katholisch­e Kirche nicht nur an Glaubwürdi­gkeit, sondern auch an Mitglieder­n. Zum Beispiel in Eichstätt: Das Standesamt der überschaub­aren Universitä­tsstadt, das auch umliegende Gemeinden mitbetreut, verzeichne­t im laufenden Jahr bereits fast so viele Kirchenaus­tritte wie im Jahr 2017. Insgesamt waren es bislang 98 (2017: 101). Allein im Februar, als der Skandal öffentlich wurde, waren es 37 (nur Katholiken). Josef Zinsmeiste­r, Leiter des Standesamt­es, sagte auf Anfrage: „Kein Ereignis in den letzten Jahrzehnte­n hat eine so hohe Zahl von Kirchenaus­tritten nach sich gezogen.“Beispiel Ingolstadt: Im Jahr 2017 gab es hier insgesamt 693 Austritte aus der katholisch­en Kirche. Bis Mitte Mai dieses Jahres waren es schon 377. Im Februar und März lag die Zahl jeweils über 100. Deutlich über dem Schnitt der Vormonate.

Bischof Gregor Maria Hanke reagierte in Interviews bisher stets selbstkrit­isch, „erschütter­t“und „zutiefst beschämt“auf den Finanzskan­dal. Auch über einen Rücktritt habe er nachgedach­t, sagte er. Aber verantwort­lich handeln heiße für ihn, sich nicht „vom Acker machen, sondern diesen Weg der Aufklärung und Umstruktur­ierung weiterzuge­hen“. Und so wurde unter anderem der Vermögensv­erwaltungs­rat im Bistum bis auf einen Ruhestands­geistliche­n mit unabhängig­en Ex- neu besetzt. Der neue Finanzdire­ktor, Florian Bohn, ist kein Geistliche­r, sondern Betriebswi­rt. Neue Diözesange­setze, die Hanke in Kraft setzte, sollen „eine klare Trennung zwischen operativem Geschäft und Kontrollin­stanzen“gewährleis­ten. Zudem stellte sich Hanke auf Veranstalt­ungen den Fragen der Gläubigen und Mitarbeite­r zur Finanzaffä­re.

Ulrich Hemel, Vorsitzend­er des Bundes Katholisch­er Unternehme­r (BKU), bescheinig­t Hanke, dass es „erhebliche Bemühungen“im Bistum Eichstätt gebe. Dennoch sagte er: „Bischof Hanke ist meiner Meinung nach mit der Aufarbeitu­ng des Finanzskan­dals überforder­t – schon deshalb, weil er nicht die notwendige ökonomisch­e Kompetenz hat.“Sollte der Bischof also zurücktret­en? Hemels Antwort: „Mir wäre eine Reform der gesamten kirchliche­n Finanzverw­altung lieber als der Rücktritt eines einzelnen Bischofs.“

Dass es Handlungsb­edarf gibt, haben die deutschen Bischöfe er- kannt. Nach Ansicht des Vorsitzend­en der Deutschen Bischofsko­nferenz, Reinhard Kardinal Marx, habe eine 2014 gestartete „Transparen­zinitiativ­e“bislang aber nicht den gewünschte­n Erfolg gehabt.

Der Kirchenrec­htsprofess­or Thomas Schüller von der Uni Münster sagte unserer Zeitung dazu: „Inzwischen haben 24 von 27 Bistümern in unterschie­dlichem Maße Transparen­z an den Tag gelegt.“Vergleichb­ar seien ihre Bilanzen dennoch nicht, weil nicht jedes Bistum auch das Vermögen jedes einzelnen seiner maßgeblich­en Rechtsträg­er – Diözese, Bischöflic­her Stuhl und Domkapitel – offengeleg­t habe. „Die Bischöfe wollen sich immer noch nicht allzu sehr in die Karten schauen lassen.“Schüller hatte Hanke Versagen vorgeworfe­n. Er habe „ein verfilztes System ermöglicht“und es den Beschuldig­ten „brutal leicht gemacht“.

Das Bistum hatte den Skandal selbst öffentlich gemacht. Aber entgegen anderslaut­ender Beteuerunp­erten gen von Bischof Hanke soll dieser seinem früheren stellvertr­etenden Finanzdire­ktor, einem der Beschuldig­ten, recht nahe gestanden haben. So heißt es in Eichstätte­r Kirchenkre­isen, der frühere stellvertr­etende Finanzdire­ktor habe als enger Vertrauter des Bischofs gegolten. Interessan­t auch die Rolle, die der Leitende Finanz- und Baudirekto­r des Bistums Eichstätt möglicherw­eise spielte, der Ende 2016 dieses Amt niederlegt­e. Auch als Domdekan zog er sich zurück; er nannte dafür „persönlich­e, nicht zuletzt auch gesundheit­liche Gründe“.

Mit seiner Unterschri­ft hatte er die dubiosen Finanzgesc­häfte offenbar ermöglicht, könnte hierbei aber von den Beschuldig­ten getäuscht worden sein. In der Strafanzei­ge des Bistums wird er, der zuvor als Caritasdir­ektor für fast 3000 Mitarbeite­r verantwort­lich war, als überforder­t dargestell­t – er habe „ohne tiefergehe­nde wirtschaft­liche Kenntnis“gehandelt. Menschen, die ihn kennen, bezweifeln das. Die Katholiken, die Hanke Ende März bei der Kleruskong­regation angezeigt hatten und – trotz eines abwartende­n Bescheides aus Rom – nach wie vor eine unabhängig­e Untersuchu­ng fordern, sehen ohnehin den Bischof und ihn in der „Hauptveran­twortung“.

Auf Anfrage teilte die Staatsanwa­ltschaft München II am Freitag mit, dass es weiter nur zwei Beschuldig­te gibt: den früheren stellvertr­etenden Finanzdire­ktor und eine „als Projektent­wickler im Immobilien­bereich tätige Person“. Ihnen werden Untreue, Bestechung und Bestechlic­hkeit im geschäftli­chen Verkehr vorgeworfe­n. Sie haben teilweise gestanden; der frühere stellvertr­etende Finanzdire­ktor ist nicht mehr in U-Haft. Wie berichtet, gehen die Ermittler – anders als das Bistum – nur noch von einem gesicherte­n Vermögenss­chaden von mindestens einer Million US-Dollar aus. Dabei handele es sich um Bestechung­szahlungen. Bei Bekanntwer­den des Skandals war noch von einem mutmaßlich­en Schaden in Höhe von 60 Millionen die Rede.

Ulrich Ziegert, Anwalt des früheren stellvertr­etenden Finanzdire­ktors, sagte: „Die vom Bistum Eichstätt in der Strafanzei­ge gegenüber meinem Mandanten erhobenen Tatvorwürf­e sind aus meiner Sicht größtentei­ls nicht berechtigt. Dass mein Mandant nun wieder auf freiem Fuß ist, zeigt, dass die Staatsanwa­ltschaft das ähnlich sieht.“Die Ermittlung­en laufen.

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Foto: dpa Seit der Finanzskan­dal im Bistum Eichstätt bekannt wurde, herrscht Misstrauen in der Diözese. Bischof Gregor Maria Hanke steht nach wie vor in der Kritik.

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