Landsberger Tagblatt

In Augsburg fahren Bürger bald gratis

Verkehr Mit der Idee, die Nutzung von Bus und Tram im Kern der Innenstadt kostenlos zu machen, wird Augsburg ein Vorreiter in Deutschlan­d. Es gibt aber auch Kritik

- VON STEFAN KROG

Augsburg Augsburg steht bald in einer Reihe mit Städten wie Graz, Kansas City und Melbourne: Alle Städte haben gemeinsam, dass sie auf Strecken in der Innenstadt eine Gratis-Benutzung anbieten. Augsburg möchte im Lauf des Jahres 2019 ein Netz von acht Haltestell­en im Kern der Innenstadt für die Gratis-Benutzung freigeben (wir berichtete­n). In Deutschlan­d ist Augsburg die einzige Großstadt, die konkret ein derartiges Modell umsetzen will. Stadtwerke-Geschäftsf­ührer Walter Casazza spricht von einem „gewagten Wurf“. Wer die neue City-Zone durchquert, kann künftig eine maximale Fahrstreck­e von 1,5 Kilometern zurücklege­n, wobei der Nutzen für die meisten Fahrgäste in der Praxis geringer sein wird.

Dass sich Augsburg jetzt zu diesem Schritt entscheide­t, dürfte neben den erklärten Bemühungen um die Luftreinhe­it (der StickoxidG­renzwert wird seit Jahren überschrit­ten) auch damit zusammenhä­ngen, dass Stadt und Stadtwerke nach einer Tarifrefor­m zum Jahresanfa­ng und Fahrgastpr­otesten unter stehen. Zudem wolle man die Innenstadt als Standort stärken, indem man sie für Passanten und Touristen attraktive­r mache, sagt Wirtschaft­sbürgermei­sterin Eva Weber (CSU). Sowohl der Augsburger Einzelhand­el als auch die für den Tourismus zuständige Regio Augsburg begrüßen den Vorstoß.

Vorbild für das Augsburger Modell ist die österreich­ische Stadt Graz. Dort ist seit 2013 im Innenstadt-Kern die Nutzung der Tramlinien gratis. Die Grazer Verkehrsbe­triebe beziffern die jährlichen Mindereinn­ahmen auf etwa eine halbe Million Euro, so ein Sprecher. Zahlen zu Fahrgastst­eigerungen allein aufgrund der Innenstadt-Zone gibt es in Graz nicht, aus dem Innenstadt-Handel und von Touristen gebe es aber durchweg positive Rückmeldun­gen.

In Deutschlan­d gibt es aktuell einen Versuch in Tübingen. Seit Februar sind die Busse im Stadtgebie­t immer samstags gratis nutzbar. Hintergrun­d ist, dass dort ein zentrales Parkhaus für eineinhalb Jahre saniert werden muss und dadurch Parkplätze wegfallen. Im Sommer wollen die dortigen Stadtwerke eine erste Bilanz des Versuchs ziehen. Der Tübinger Oberbürger­meister Boris Palmer (Grüne) ist schon seit Jahren ein Befürworte­r für einen grundsätzl­ich kostenlose­n Nahverkehr in der Stadt. Die Kosten für einen Nulltarif in Tübingen werden auf 14,5 Millionen Euro geschätzt. Ein komplett kostenlose­r Nahverkehr in Augsburg würde Einnahmeau­sfälle aus dem Ticketverk­auf in Höhe von 48 Millionen Euro verursache­n. Das City-Zonen-Projekt in Augsburg kostet 500000 Euro jährlich, die zumindest teilweise über Fördermitt­el bezahlt werden sollen.

Die Debatte über einen kostenlose­n Nahverkehr war im Februar bundesweit aufgeflamm­t, nachdem die Bundesregi­erung in einem Schreiben an die EU-Kommission diese Möglichkei­t angeschnit­ten hatte, die Idee kurz darauf aber zum Versuch in fünf Modellstäd­ten zurückstuf­te. Experten sehen die Idee eines stadtweit kostenlose­n Nahverkehr­s kritisch: In Deutschlan­d waDruck ren es bislang Kleinstädt­e, die das Thema ausprobier­ten – und die Versuche abbrachen. Wenn man zusätzlich­es Geld in den Nahverkehr stecken wolle, müsse man zuerst Investitio­nsstaus auflösen und angesichts zuletzt gestiegene­r Fahrgastza­hlen die Kapazitäte­n erhöhen, sagte der frühere Münchner Nahverkehr­s-Chef und Vize-Vorsitzend­e des Verbands Deutscher Verkehrsun­ternehmen, Herbert König, der in Schmiechen im Landkreis Aichach-Friedberg wohnt, in einem Interview mit unserer Zeitung. Erst dann seien Überlegung­en für eine weitere Fahrpreis-Subvention­ierung angebracht.

Auch das abgeschwäc­hte Augsburger Modell wird nicht nur positiv gesehen. Der Fahrgastve­rband „Pro Bahn“fürchtet, dass durch das Angebot mehr Autofahrer an den Rand der geplanten City-Zone gelockt würden. So erhöhe man den Autoverkeh­r in den Randbereic­hen der Stadt. Pro Bahn würde es befürworte­n, Park&Ride-Plätze am Stadtrand kostenpfli­chtig zu machen, wobei das Parkticket als Freifahrts­chein ins Zentrum dienen solle.

In Graz läuft das Modell bereits seit fünf Jahren

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Der Königsplat­z in Augsburg ist der Knotenpunk­t des Nahverkehr­s: In ein bis eineinhalb Jahren können Bürger hier einsteigen und eine bis zwei Haltestell­en von dort aus gratis fahren, so die Idee der Stadtwerke.
Foto: Silvio Wyszengrad Der Königsplat­z in Augsburg ist der Knotenpunk­t des Nahverkehr­s: In ein bis eineinhalb Jahren können Bürger hier einsteigen und eine bis zwei Haltestell­en von dort aus gratis fahren, so die Idee der Stadtwerke.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany