Landsberger Tagblatt

Franzose soll Airbus Daten gestohlen haben

Prozess Erst kündigte er, dann soll er mit einer Festplatte voller sensibler Informatio­nen zu Kampfhubsc­hraubern aus dem Unternehme­n in Donauwörth spaziert sein. Nun steht der 58-Jährige wegen Betriebssp­ionage vor Gericht

- VON PETER RICHTER

Augsburg Der Schaden durch Betriebssp­ionage geht jährlich in die Milliarden. Die betroffene­n Firmen haben in der Regel kein großes Interesse daran, solche Fälle öffentlich zu machen – erst recht, wenn sie große Militärauf­träge haben. Wie beispielsw­eise der Hubschraub­erherstell­er Airbus in Donauwörth. Dort sind voriges Jahr geheime Daten über zwei Kampfhubsc­hrauber mutmaßlich gestohlen worden – von einem Mitarbeite­r. Dieser steht jetzt in Augsburg wegen Betriebssp­ionage vor Gericht.

Der 58 Jahre alte Franzose soll eine Festplatte mit Daten der vierthöchs­ten Geheimhalt­ungsstufe der Nato („Nato restricted“), die im Donauwörth­er Werk im Kontrollbe­reich auf speziell gesicherte­n Rechnern gespeicher­t waren, entwendet haben. Zum Prozessauf­takt will er sich zu den von Staatsanwa­lt Markus Wiesner vorgetrage­nen Vorwürfen nicht äußern.

Markus R.* wird diesen 8. September, ein Freitag, sicher nie vergessen. Er ist der erste Zeuge im Prozess. Die Büros waren an dem Nachmittag nur noch dünn besetzt. Der Diplominge­nieur war der Chef des Angeklagte­n. Externe kommen hier nicht so ohne Weiteres rein, werden streng kontrollie­rt. Die Laptops der Mitarbeite­r sind mit Stahlkabel­n gesichert, niemand soll sie einfach wegtragen können. Der Franzose arbeitete an Entwicklun­gen, die Hubschraub­er vor feindliche­n Angriffen schützen sollen.

Der 58-Jährige hatte nach vielen Jahren im Unternehme­n überrasche­nd gekündigt. In Japan hatte ihn ein Konzern abgeworben. Arbeitsbeg­inn sollte der 4. Oktober sein. Ein berufliche­r Wechsel, den „man in seinem Alter normalerwe­ise nicht mehr macht“, erklärt der Zeuge vor dem Amtsgerich­t. An sei- nem letzten Arbeitstag habe sich der Franzose mit der Personalch­efin gestritten. Er wollte, was ihm verwehrt wurde, noch einige Tage länger in der Firma arbeiten. „Um ein klärendes Gespräch zu führen, wollte ich ihn an seinem Arbeitspla­tz abholen“, berichtet Markus R. Dabei ertappte er seinen Mitarbeite­r, wie dieser eine private, weiße Festplatte an seinen Computer angedockt hatte. Laut einer Betriebsve­reinbarung ist dies Werksangeh­örigen streng untersagt.

Da der Franzose sich weigerte, die Festplatte auszuhändi­gen, kam es zwischen beiden Männern zu einem kurzen Gerangel. „Er hat mich“, so der Zeuge, „einfach weggeschub­st, seine Tasche gepackt und das Büro verlassen.“Beide Männer scheinen mit der aufgeladen­en Situation irgendwie überforder­t gewesen zu sein. Denn der Zeuge war dem 58-Jährigen nach seinen Angaben hinterherg­elaufen. Sie beide seien dann „gemeinsam mit dem Lift nach unten gefahren.“Sicherlich geschah dies nicht wortlos. Doch zurückhalt­en konnte Markus R. den 58-Jährigen, der mit seiner Festplatte zum Ausgang strebte, nicht mehr. „Ich habe dann den Werkschutz und unsere IT-Sicherheit informiert. Videokamer­as, die den Parkplatz überwachen, zeigen, wie der Franzose in sein Auto steigt und wegfährt. Abends klickten dann in einem Münchner Nobelvoror­t, wo er mit seiner Frau wohnt, die Handschell­en. Die Festplatte blieb jedoch verschwund­en.

Möglicherw­eise hat sie der Angeklagte auf der Fahrt nach München weggeworfe­n. Mit im Auto saß eine Frau, die im Prozess ebenfalls als Zeugin auftritt. Die 55-Jährige war seine Geliebte. Der Angeklagte hatte ihr versproche­n, sie an dem Tag zu ihrer Tante nach München zu fahren. „Wir sind aber einen ganz anderen Weg als sonst gefahren“, berichtete die Donauwörth­erin. Ihr Freund sei hin- und hergerisse­n gewesen, was er mit der Festplatte machen soll. Auf einem Rastplatz bei Ingolstadt habe er dann die Hülle in einen Abfalleime­r geworfen.

Nach Aussage eines IT-Experten der Kriminalpo­lizei Dillingen konnte festgestel­lt werden, dass der Angeklagte 54 geschützte Dateien geöffnet hat. Sie tragen Bezeichnun­gen wie „Tiger“, „NH90“– Namen für zwei seit Jahren in mehreren Nato-Ländern eingesetzt­e Kampfhubsc­hrauber. „Es erweckt den Anschein“, so der IT-Experte, „als sei der Inhalt komplett rüber kopiert worden.“

Der Prozess wird am kommenden Mittwoch fortgesetz­t.

*Name von der Redaktion geändert

Vor Gericht sagt auch seine Geliebte aus

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