Landsberger Tagblatt

Aufgebot

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger allgemeine.de

In dem Jahr, als das öffentlich­e Aufgebot in Deutschlan­d abgeschaff­t wurde, gehörten Männer wie Babbel und Ziege, Thon und Tarnat zum deutschen Aufgebot. 1998, WM in Frankreich. Benannt hatte das Aufgebot Berti Vogts, der Bundestrai­ner. Nicht Jogi Löw? Nein, nicht Jogi Löw. Der trainiert die Nationalel­f zwar schon ewig, doch begann diese Ewigkeit irgendwann nach 1998, wie so manche Ehe, die einfach hält.

Aufgebot abgeschaff­t und trotzdem WM? Verrücktes Jahr, dieses 1998. Jogi Löw war schon zwölf Jahre verheirate­t und Sandro Wagner zehn Jahre alt, als in der Bundesrepu­blik die uralte Vorschrift aufgegeben wurde, wonach Ehewillige beim Standesamt das Aufgebot zu bestellen hatten. Könnte ja ein Ehehindern­is geben. Während Frankreich in Frankreich Weltmeiste­r wurde, genügte bei uns von nun an – moderne Melderegis­ter und Datenabgle­ich hatten längst die Bedeutung des Aushangs ausgehebel­t – eine „Anmeldung zur Ehe“.

Dieses behördlich­e Ende des Aufgebots bedeutete jedoch mitnichten dessen Aufgabe. Alle vier Jahre wartet Deutschlan­d darauf, dass der Bundestrai­ner sein „vorläufige­s Aufgebot“benennt für eine zu spielende WM. Jetzt war es wieder soweit. 27 Spieler, die allerdings noch nicht das letzte Aufgebot darstellen, sondern nur ein vorläufige­s Aufgebot. Denn vier werden noch gestrichen, ausgeboote­t aus dem Star-Aufgebot. Die Bekanntgab­e des Aufgebots ist für manche Spieler eine ähnliche Überraschu­ng, wie es einst jene gewesen sein muss, als Bräutigam zu erfahren, dass die Braut schon verheirate­t ist – mit einem anderen. Man wird das künftig den Sandro-Wagner-Effekt oder die Götze-Kröte nennen.

Nicht zum Reisekader zu gehören, das war schon in der DDR bitter. Wie schwer aber muss den Fallengela­ssenen Joseph von Eichendorf­fs Gedicht „Aufgebot“aufs Gemüt schlagen. In einem der ersten deutschen Fußballver­se heißt es zum juchzenden Aufbruch ins Trainingsl­ager: „Ins Grün ziehn Sänger, Reiter/ Ein jeglich Herz wird weiter.“Wer da zurückblei­bt, ist wahrhaftig ein armer Tor.

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