Ein Jahr mit vielen Favoriten
Filmfestival Cannes vor dem Höhepunkt
Cannes Vielleicht wird beim Filmfestival Cannes an diesem Samstag Geschichte geschrieben. Die Zeichen stehen auf Veränderung. In Zeiten von MeToo herrscht mehr Sensibilität für die Stimmen derjenigen, die bisher wenig Gehör fanden. Das gilt für Frauen ebenso wie für andere Gruppen. Während bisher vor allem weiße Männer die Goldene Palme gewannen, könnte dieses Mal ein schwarzer Filmemacher oder eine Regisseurin triumphieren.
Bekäme Spike Lee die Goldene Palme, wäre er der erste Afro-Amerikaner mit dem Hauptpreis. Seine Satire „BlacKkKlansman“basiert auf den wahren Erlebnissen eines schwarzen Polizisten, der sich Ende der 70er Jahre in den Ku-Klux-Klan schmuggelte. Auch Eva Hussons Beitrag „Girls of the sun“schaut dahin, wo andere lieber weggucken: Zu den Frauen, die von den Kämpfern des Islamischen Staates entführt und als Sexsklavinnen verkauft werden. In der Kritikergunst weit oben rangiert „Happy is Lazzaro“der Italienerin Alice Rohrwacher, die hier märchenhaft-überzeichnet von ausgebeuteten Hilfsarbeitern berichtet. Mit „Capernaum“wiederum legte Nadine Labaki aus dem Libanon eine erschütternde Geschichte um einen Zwölfjährigen vor, der seine Eltern verklagt, ihn in diese furchtbare Welt gebracht zu haben.
Tatsächlich hätten sich diese drei Regisseurinnen, die es in den Cannes-Wettbewerb geschafft haben, eine Auszeichnung verdient. Doch egal, wie relevant aktuelle Themen und gesellschaftliche Debatten derzeit auch sind – die Preise eines Filmfestivals sollten sich nicht daran orientieren, sondern die besten, die ungewöhnlichsten, die visionärsten Kinowerke ehren. Kandidaten dafür wären etwa Regielegende Jean-Luc Godard, der mit „The image book“den experimentellsten Beitrag vorlegte. Oder der Pole Pawel Pawlikowski, der sich bei „Cold War“über eine unmögliche Liebe in Zeiten des Kalten Krieges für Schwarz-Weiß-Bilder und ein quadratisches Bildformat entschied.
Doch wie so oft gibt es auch in diesem Jahr keinen eindeutigen Favoriten. Klar ist allerdings, dass der Wettbewerb in Cannes 2018 zwar nicht vor bekannten Namen strotzte, dafür aber mit zahlreichen guten Werken überraschte.