Ein Schotte in Landsberg
Porträt Colin Heatlie arbeitet in einer Landsberger Metzgerei. Und weiß, was seine Landsleute und die Bayern gemeinsam haben
Landsberg Die Schotten und die Bayern haben vieles gemein, sagt Colin Heatlie. Die Liebe zur Tradition und den Lokalpatriotismus etwa, die merkwürdige Tracht, die wunderschöne Landschaft und den sehr eigenen Dialekt. Allerdings seien das Wetter und das Essen hier in Bayern besser. Colin Heatlie muss es wissen, der gebürtige Schotte arbeitet seit einem knappen Jahr in der Metzgerei Boneberger am Hauptplatz.
Letztes Jahr hat er das erste Mal auf Deutsch geträumt, erzählt der stämmige junge Mann mit den rotblonden Haaren. Dabei ist er erst 2016 nach Deutschland gekommen, mit einem einzigen Koffer und keinem einzigen Wort Deutsch im Vokabular. Die Abenteuerlust, ein sonniges, freundliches Gemüt und die Liebe haben ihn schließlich nach Landsberg in den Hinteranger gebracht, wo er mit seiner Freundin, der Künstlerin und Schmuckdesignerin Lea Stikkelorum, lebt.
Aber der Reihe nach. Geboren 1989 im Südosten von Schottland, in den schottischen Lowlands, genauer den Scottish Borders, also der Grenzregion zu England. Die Gegend ist nicht so bekannt wie die spektakulären Highlands, es gibt keine Autobahn, keine großen Städte, aber viel grüne und „wunderschöne“Natur. Viele kleine und kleinste Dörfer mit verschiedenen Dialekten, die sich wie eine eigene Sprache, gewiss aber nicht wie Englisch, anhören. Dort hat der junge Heatlie 2005 in der örtlichen Metzgerei eine Ausbildung begonnen und als Metzgermeister abgeschlossen. Meistertitel wird ihm allerdings in Deutschland nicht anerkannt.
Die Metzgereien in Schottland sind schon anders, sagt er. „In Deutschland gibt es eine große Wursttheke und eine kleine Fleisch- in Schottland ist es genau umgekehrt, wir kennen maximal drei bis fünf Wurstsorten.“Soziale Kontakte, der neueste Klatsch, lokale Nachrichten, alles läuft in Schottland über die kleinen BäckeDer reien und Metzgereien, der Kontakt mit den Kunden ist dort äußerst wichtig. Im Jahr 2011 hat Heatlie mit einem eigenen Rezept die schottische Haggis-Meisterschaft gewonnen. Haggis ist das schottische Naauslage, tionalgericht, dessen Zutaten eher nach Mutprobe klingen und dessen Anblick einem nicht gerade das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. „Es schmeckt aber wunderbar, wie grobe, sehr würzige Leberwurst“, sagt Heatlie, der immer Haggis tiefgefroren im Kühlschrank vorrätig hat. Sobald sich das Haggis (eine in einen Schafsmagen gefüllte Mischung aus Schaf- und Rindinnereien, Nierenfett, Haferflocken und Gewürzen) dem Ende zuneigt, schickt sein Vater ihm ein neues Paket aus Schottland.
„Ich muss mal raus aus dem kleinen Dorf“, dachte sich Colin Heatlie 2014 und heuerte in einer Metzgerei in der Stadt Dundee an. Er wollte mehr lernen, mal was anderes erleben und sehen. Nach 18 Monaten reichte ihm auch das nicht mehr und er stieg in einen Flieger nach Frankfurt. „Hast du eine Wohnung dort?“, fragte ihn sein Chef. „Hast du einen Job? Kannst du Deutsch?“Dreimal Nein. „Was zum Teufel willst du dann dort?“Irgendetwas trieb ihn, er kann es nicht benennen.
Die Liebe und die Abenteuerlust
Einige Kunden wollen nur von ihm bedient werden
Eine Metzgerei in Frankfurt lehnte ihn wegen nicht vorhandener Deutschkenntnisse ab, und so schlug sich Heatlie zwei Monate lang als Barkeeper in Irish Pubs durch, bevor er als Au-pair in eine Familie in München geriet. In einem Münchner Pub lernte er seine heutige Freundin kennen und zog im August 2017 zu ihr nach Landsberg. Mittlerweile hatte er erstaunlich gutes Deutsch gelernt, bewarb sich bei Boneberger und wurde gleich eingestellt. Es soll Stammkunden geben, die sich am liebsten von ihm bedienen lassen, um ihr Englisch auszuprobieren oder ihm Bairisch beizubringen. Einen festen Platz hat er übrigens auch in der hiesigen Blaskapelle mit dem Baritonhorn. Colin Heatlie, so viel wird deutlich, liebt seinen Job und er liebt das Leben in Landsberg.