Der Meister des Delta Blues
Konzert Eric Bibb bringt Songs vom Leid der Flüchtenden, aber auch von Freude und Liebe nach Landsberg
Landsberg Nur so viel voraus: Wenn man jemandem erklären sollte, was Blues ist, so hätte er sich das Konzert von Eric Bibb mit Michael Jerome Browne im Landsberger Stadttheater anhören müssen. Das ist Blues. Das Landsberger Publikum hatte das Glück, „einen der größten Blues-Musiker alive“zu erleben, wie Musikprogrammleiter Edmund Epple versicherte.
An Eric Bibb ist alles Blues. Der unglaublich jugendlich wirkende 67-Jährige kommt schlaksig und locker auf die Bühne, im Understatement-Retro-Stil: schwarzer Anzug mit T-Shirt, schwarzer Hut, man hört quasi schon bei seinem Anblick die Grillen zirpen und die Frösche des Mississippi-Deltas quaken. Er greift sich eine abgeschabt und heftig gebraucht aussehende akustische Gitarre. Heraus kommt ein rauer, warmer, reduzierter Blues, der direkt aus der Erde aufzusteigen scheint. Er fängt an, dazu zu singen, und jetzt ist alles perfekt. Diese leicht heisere, warme Bluesstimme beschwört Jahrhunderte herauf: Das Leiden der verschleppten Afrikaner auf den Schiffen und später auf den Baumwollfeldern; die Unterdrückung, Verfolgung und Ermordung der Schwarzen in den amerikanischen Südstaaten; aber auch die guten Momente von Fröhlichkeit, Gemeinschaft und Zugehörigkeit, auch der Liebe. Und die schwüle Hitze der Sümpfe.
Eric Bibb produziert den reduzierten, erdigen Delta-Blues (aus dem Mississippi-Delta) mit einer fantastischen Picking-Technik und lässt sich dabei von dem nicht minder fantastischen, aber sehr bescheiden und zurückhaltend agierenden Michael Jerome Browne begleiten. Der bereichert die Songs behutsam durch Soli auf Gitarre oder Mandoline, mit leichten Country-Effekten und mit ebenfalls erstaunlichem, meisterhaften Picking und Sliding, mit Harmony Vocals oder Blues Harp, immer gerade so, dass sich der Sound optimal mischt und ein organisches Ganzes bildet.
Dass sich ein Musiker wie Eric Bibb mit dem Thema Migration befasst, ergibt sich ebenfalls sehr organisch. Erzählt er doch in dem Lied „On My Way to Bamako“von seiner „Heimkehr“nach Westafrika, wo seine Vorfahren herstammten. Lebt er doch als Afroamerikaner in Schweden. Und so erzählt er in seinem neuen Album „Migration Blues“Geschichten von Menschen, die aufgrund von Not, Unterdrückung oder Krieg ihre Heimat verlassen mussten und müssen. „Rather be freezin’ than hangin’ from the trees in the Mississippi sun“, singt er in „With a Dolla’ in My Pocket“von einem Afroamerikaner, der vor einem Lynchmob in den Norden flieht. Tief beeindruckt Bibb in „Refugee Moan“– ein Klagelied
Blues muss nicht immer düster sein
und Gebet eines Flüchtenden, damals wie heute, ohne Begleitung a cappella gesungen und umso eindringlicher in seiner Schlichtheit. Seine Songs handeln vom einfachen Leben im Mississippi-Delta wie in „Diego’s Blues“, von Flucht und Vertreibung wie in „Delta Getaway“oder „Four Years, No Rain“, angefangen in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts, als (schwarze) Menschen aus den Südstaaten in den Norden der USA auswanderten, bis hin zu den Flüchtlingen heutzutage.
Doch Bibb hat auch Fröhlicheres im Repertoire – „Blues muss nicht immer düster und traurig sein.“„On My Way to Bamako“drückt die überschwängliche afrikanische Lebensfreude aus, „Going to Havana“swingt im fröhlichen CountryStil, und Browne liefert die perfekten Effekte mit seiner zwölfsaitigen Gitarre und dem Slide-Finger.
Das Publikum kam bei diesem sympathischen Meister des Blues schnell in Fahrt, sang und klatschte mit und erjubelte sich drei Zugaben, bevor es im Foyer die Möglichkeit gab, den Bluesmeister persönlich zu treffen.