Landsberger Tagblatt

„Eine Bedrohung für die gesamte europäisch­e Zivilisati­on“

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Es ist nicht sein erstes Buch über den Dreißigjäh­rigen Krieg. Schon 1992 veröffentl­ichte Johannes Burkhardt, ehemaliger Lehrstuhli­nhaber für frühneuzei­tliche Geschichte in Augsburg, ein Werk zu dem Thema. Nun, 26 Jahre später, wagt er sich an seine zweite Gesamtdars­tellung des Krieges. „Eine neue Ge schichte des Dreißigjäh­rigen Krieges“nennt er sein Buch. Neu aus zwei Gründen: Nicht nur ist es sein zweites Werk zu diesem Thema, er will auch neue Gesichtspu­nkte herausarbe­iten.

Anders als viele Kollegen arbeitet Burkhardt den Krieg nicht in chronologi­scher Reihenfolg­e auf. Er beginnt mit einer „Ver messung der Katastroph­e“, einem Blick auf die Opfer des Krie ges. „Es war eine Bedrohung für die gesamte europäisch­e Zivi lisation“, sagte er bei der Vorstellun­g seines Buchs in Augsburg. Seiner Meinung nach haben bisherige Darstellun­gen die Todes zahlen noch untertrieb­en – regional forschende Historiker haben ihn zu dieser Annahme gebracht, die er im Buch ausführt.

Neben dem Krieg widmet sich Burkhardt dem Frieden – sei ner Meinung nach hätte der Krieg auch ausfallen können. Direkt nach dem Prager Fensterstu­rz versuchten verschiede­ne Parteien, den Konflikt abzuwehren. Als einen großen Friedensst­ifter führt er überrasche­nd einen bekannten Akteur ins Feld: Wallenstei­n. „Er hat sich vom Saulus zum Paulus gewandelt“, sagte Burk hardt. Zu Kriegsbegi­nn habe Wallenstei­n den Konflikt mit sei nem riesigen Heer erst richtig ins Rollen gebracht. Doch er durchlebte dem Historiker zufolge einen Sinneswand­el – und setzte sich nach vielen Kriegsjahr­en vehement für einen Frie densschlus­s ein. Schwere Vorwürfe erhebt er allerdings gegen die Theologen. Dem „Teufelswer­k des Krieges“, wie er es be zeichnet, hätten sie sich vehementer entgegenst­ellen müssen.

Gerade im Punkt Friedensst­iftung habe der Dreißigjäh­rige Krieg Europa geprägt. „Durch die langen Verhandlun­gen hat sich eine eigene Sprache des Friedens entwickelt“, sagte Burk hardt. Viele Tricks, die Diplomaten damals gelernt haben, seien noch heute gebräuchli­ch: Das Loben des Gegners, das ununter brochene Aufrechter­halten der Gespräche… Erst durch den Krieg und den langen Weg hin zum Frieden sei Europa in seiner heutigen Form entstanden.

Burkhardt liefert mit seinem Buch nicht nur einen Überblick über den großen europäisch­en Konflikt, sondern verfolgt auch Ansätze, die den Dreißigjäh­rigem Krieg in einem neuen Licht er scheinen lassen. Dabei bleibt er auf der Ebene der großen Politik und ihrer Akteure, das Leid der Bevölkerun­g zeigt er hingegen an einigen ausgewählt­en Beispielen. Auf Söldner, Kinder im Heertross und vergewalti­gte Frauen geht er dabei ein und wirft eine große Frage auf: Was verleitete die Menschen zu derartigen Grausamkei­ten? „In diesem Punkt müssten sich Sexualpath­olo gen dem Krieg widmen“, sagte er. Denn Historiker allein seien nicht genug, um diesen Konflikt komplett zu verstehen. (cgal)

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Johannes Burk hardt: Der Krieg der Kriege – Eine neue Geschichte des Dreißigjäh­ri gen Krieges Klett Cotta, 296 Seiten, 25 Euro

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