Der Krieg ist eine Schicht-Torte
Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler erklärt, wie kleine Konflikte zum Dreißigjährigen Krieg mutierten – und was wir daraus für die Syrien-Frage lernen können
Münkler: Es kommt hinzu, dass sich ein Verfassungskonflikt, nämlich zunächst einmal der Streit: „Wer hat in Böhmen das Sagen, die Stände und die Städte oder der habsburgische König?“, mit einem Konfessionskonflikt vermischt. Nämlich: „Aufrechterhaltung der böhmischen Verfassung mit einer sehr starken Stellung der unierten Brüder, der Lutheraner und der Reformierten oder Durchsetzung der Gegenreformation?“Und dann kommt hinzu, dass Ferdinand, um sich der Unterstützung durch Herzog Maximilian von Bayern zu versichern, diesem zusagt, die Kurwürde von dem Heidelberger Wittelsbacher auf den Münchener Wittelsbacher, also auf ihn, zu übertragen, wenn er seine leistungsfähige Grenzverschiebungskonflikt, Hegemonialkonflikt. Das Zusammenwirken dieser vier Kriege, die aufeinanderliegen, führt dazu, dass, wenn der eine beendbar ist, die anderen weiter bestehen und der Krieg weitergeht.
In den Krieg sind irgendwann quasi alle Großmächte involviert. Gekämpft wird aber hauptsächlich auf deutschem Territorium. Macht das den Dreißigjährigen Krieg zum deutschen Krieg? Münkler: men, weil sie eine andere Konfession annehmen mussten und das nicht tun wollten.
Woher kamen die besondere Grausamkeit und die lange Dauer?
Münkler: Grausamkeit hat sicher auch etwas mit der Intensivierung von Feindschaft über den konfessionellen Gegensatz zu tun. Die Antwort auf die Frage: „Ist es ein lutheranisches Dorf, ist es ein katholisches Dorf?“kann als Lizenz zum Plündern dienen. Dann kommt hinzu, dass die Ressourcen, die von den Soldaten abgeschöpft wurden, um sich zu ernähren, immer knapper wurden. Bei den Soldaten bleibt der Hunger aber gleich. Verbunden ist das mit der Vermutung: Die Bauern verheimlichen uns, was sie noch haben. Und dann fangen sie an mit Schwedentrunk, mit der berühmten Ziege, die mit Salz eingeriebene Fußsohlen ableckt, oder Leute werden über Feuer gehängt, bis sie verraten, was tatsächlich noch da ist, oder sie werden totgeschlagen, wenn sie nichts mehr zu verraten haben.
Aber so viele Jahre Krieg machen wohl auch etwas mit den Menschen … Münkler: Je länger der Krieg dauert, desto mehr verrohen die Soldaten. Irgendwann haben wir es dann mit Leuten zu tun, die sich gar nicht mehr erinnern können, dass es mal Friedenszeiten mit Konventionen des Umgangs miteinander gab. Im Prinzip sind Bauern für sie Freiwild. Die Reiter kommen vorbei und vergewaltigen die Frauen, töten die Kinder, und die Männer pressen sie aus bis aufs Blut, bis sie ihre Schätze und das bisschen Essen, das sie noch haben, herausgeben. Dann reiten sie weiter. Die Bauern reagieren, stellen den Soldaten Hinterhalte und töten sie. Und dann kommt wieder die Revanche ...