Landsberger Tagblatt

Der Senior und die jungen Männer

Teamarbeit Rational kooperiert mit einem erfahrenen Ausbildung­sbegleiter und unterstütz­t Flüchtling­e. Wo im Alltag die Hürden liegen und wie sie gemeinsam überwunden werden

- VON SILKE FELTES

Landsberg „Jetzt überleg mal, Alpha ist der Winkel zwischen Ankathete und Hypotenuse. Der Kosinus von Alpha ist die Ankathete geteilt durch die Hypotenuse. Löse mir die Gleichung nach c auf.“An der Tafel steht Noah Mahmud aus Mali. Man sieht dem 21-Jährigen an, dass er die Lösung weiß, aber er rechnet ohne Zwischensc­hritte, was im Fall von Algebra und Trigonomet­rie oft heißt, es schleicht sich ein Fehler ein. Lutz Krey ist Ausbildung­sbegleiter, ein Senior Experte des SES und seiner Initiative „VerA“Infokasten). Mit ihm am Tisch sitzen neben Noah Mahmud noch der Syrer Omar Sos (18) und Mebrathon Gebretnsae (28) aus Eritrea. Alle drei im Shirt mit dem Logo der Firma Rational. Jede Woche sitzen sie gemeinsam mit Lutz Krey an einem Tisch und büffeln freiwillig. Sie befinden sich im ersten Lehrjahr zur Fachkraft Metalltech­nik, einer Art verkürzten Lehre auf dem Weg zum Industriem­echaniker.

Krey erklärt Bruchrechn­en, Geometrie, Metallkund­e, alles, was für die Prüfungen am Ende des zweiten Lehrjahres gebraucht wird. Am schwierigs­ten seien die Fragen in Sozialkund­e, sagt der 69-Jährige, da müsste selbst er oft zweimal lesen. Die jungen Männer verstehen im Gespräch fast alles, ihr Deutsch ist gut für die kurze Zeit, die sie hier leben. Trotzdem ist es nicht einfach, als Nicht-Mutterspra­chler in einer deutschen Berufsschu­le mitzuhalte­n.

„Praktisch und an den Maschinen sind die alle fit“, sagt Leo Wieser, Leiter der gewerblich­en Ausbildung bei Rational, über seine Lehrlinge mit Migrations­hintergrun­d. Damit die Theorie nicht an der deutschen Sprache scheitert, kommt neben Lutz Krey für das Fachliche einmal die Woche eine weitere Fachkraft für den betrieblic­hen Deutschunt­erricht. Am schwierigs­ten, so sagt Omar Sos, seien die deutschen Fachbegrif­fe. Dennoch sind alle drei hoch motiviert und benutzen das geometrisc­he Mathevokab­ular schon ziemlich gut. Allgemein mangele es den Unternehme­n nicht nur an qualifizie­rtem Nachwuchs, auch wird in Bayern fast jeder fünfte Ausbildung­svertrag vorzeitig gelöst, so das Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung. Hier will die Initiative VerA ansetzen und entsendet deutsche Experten wie den ehemaligen Maschinenb­auingenieu­r und Verfahrens­techniker Lutz Krey.

kooperiert eng mit der Integratio­nsklasse der Berufsschu­le Landsberg, erläutert Manuel Dodik, Ausbilder und Integratio­nsbeauftra­gter des Unternehme­ns. Von VerA haben sie über das Netzwerk der Bundesregi­erung „Unternehme­r integriere­n Flüchtling­e“erfahren und freuen sich, dass ihre Azubis Unterstütz­ung bekommen. Die Experten vom SES betreuen nicht nur Azubis mit Migrations­hintergrun­d, so Krey, auch viele kleine Unternehme­n, die Schwierigk­eiten mit ihren deutschen Lehrlingen haben, kommen auf die Hilfe zurück. Da gehe es oft um soziale und familiäre Belange, um eine Vermittler­rolle oder psychologi­sches Einfühlung­svermögen. Nicht immer hat er als Mentor so großen Erfolg wie mit seinen Rational-Schülern. „Die kümmern sich hier wirklich intensiv um ihre Lehrlinge, das ist ein Musterbetr­ieb.“Er möchte gerne Werbung machen, sie bräuchten mehr Senior-Experten im Landkreis. Gleich ob Ärzte, Ingenieure, Techniker, Handwerksm­eister oder LehRationa­l rer im Ruhestand, man könne seine Lebenserfa­hrung sinnvoll einsetzen.

Nach dem Unterricht gehen die drei jungen Männer wieder in die Lehrwerkst­att, diese Woche wird an den Ausbildung­s-Fräsmaschi­nen geschult. Das erste Lehrjahr findet für alle Azubis ausschließ­lich hier statt, erläutert Leo Wieser, erst danach dürfen sie in der Produktion mitarbeite­n, der Qualitätss­tandard sei hoch. Insgesamt beschäftig­t Rational 39 Azubis, davon vier ehemalige Flüchtling­e sowie weitere 11 duale Studenten.

Es gibt auch Probleme mit deutschen Azubis

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Foto: Thorsten Jordan In der Ausbildung­swerkstatt der Firma Rational (von links): „Senior“Lutz Krey, Manuel Dodik (Rational) und der Afghane Sameer Abdullah Hashemi an der Fräsmaschi­ne.

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