Landsberger Tagblatt

Söders Erlass wollen nicht alle umsetzen

Debatte Der umstritten­e Erlass von Ministerpr­äsident Markus Söder tritt am 1. Juni in Kraft. Es gibt viel Kritik, erste Verweigere­r und reichlich Verwirrung

- VON DANIEL WIRSCHING UND STEPHANIE SARTOR

Augsburg Eigentlich klingt es einfach: In jede staatliche bayerische Behörde kommt ein Kreuz. Fertig. Doch: Einfach ist die Sache ganz und gar nicht. Und der Unmut über die umstritten­e Anordnung, die auf eine Initiative von Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) zurückgeht und am Dienstag amtlich wurde, reißt nicht ab. Aus mancher dem Freistaat unterstehe­nden Behörde ist am Donnerstag deutliche Kritik zu hören. Intern klafften die Ansichten über die Anordnung weit auseinande­r, heißt es. Schließlic­h gebe es ja nicht nur christlich­e Mitarbeite­r.

Eine Reihe von Behördenmi­tarbeitern – darunter Pressespre­cher – wollen sich zu diesem „politische­n Thema“, wie sie sagen, nicht äußern. Das sei ihm „zu heiß“, meint ein Behördenmi­tarbeiter. Ein anderer erklärt, er wisse nichts Genaues über die Umsetzung – aber man habe ja noch eine Woche Zeit.

Die Umsetzung des Kreuz-Erlasses ist offenbar zu einem Problem geworden: Es fehlen Details. Die Anordnung gilt vom 1. Juni an – wie sie in den Behörden Gestalt annehmen soll, ist vielen jedoch nicht klar. Was daran liegt, dass es neben der „Bekanntmac­hung der Bayerische­n Staatsregi­erung“zur „Änderung der Allgemeine­n Geschäftso­rdnung für die Behörden des Freistaate­s Bayern“keine ergänzende­n Erläuterun­gen gibt.

In Paragraf 28 der Allgemeine­n Geschäftso­rdnung heißt es lediglich: „Im Eingangsbe­reich eines jeden Dienstgebä­udes ist als Ausdruck der geschichtl­ichen und kulturelle­n Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringe­n.“Aber geht es hier um Hauptgebäu­de oder auch um Außenstell­en? Was ist konkret mit der Formulieru­ng „jedes Dienstgebä­ude“gemeint? Und: Wie soll das Kreuz aussehen?

Karl-Heinz Meyer von der Regierung von Schwaben erklärt am Donnerstag schriftlic­h: „Nach unseren Informatio­nen sind Kreuze in allen ,Verwaltung­sgebäuden‘ des Freistaats anzubringe­n.“Im Treppenhau­s des Hauptgebäu­des der Regierung von Schwaben in Augsburg sei bereits vor etwa 14 Tagen ein Kreuz angebracht worden. In weiteren vier Außenstell­en „werden in Kürze ebenfalls Kreuze an geeigneter Stelle angebracht“. Thomas Rieger vom Polizeiprä­sidium Schwaben Nord sagt auf Anfrage: „Wir kom- men auf 20 Dienststel­len mit Parteiverk­ehr, für die jetzt Kreuze angeschaff­t werden.“Bis Mitte Juni dürften sie angebracht sein. Die Kreuze werden ihm zufolge 30 Zentimeter hoch und aus Holz sein und sollen „weitgehend einheitlic­h“aussehen. Finanziert werden sie demnach aus dem Budget des Polizeiprä­sidiums. Man habe sich mit den Dienststel­lenleitern und PolizeiGei­stlichen abgesproch­en und lasse die Kreuze auch segnen, sagt Rieger. „Genaue Vorgaben zur Umsetzung der Anordnung haben wir vom Innenminis­terium nicht bekommen.“

Auch das Staatliche Textil- und Industriem­useum Augsburg hat keine Vorgaben. „Wir warten ab, ob es noch genaue Ausführung­sbestimmun­gen gibt“, sagt Museumsspr­echer Robert Allmann. „Zum Beispiel: Soll das Kreuz im Verwaltung­strakt hängen oder im Foyer, wo die Besucher sind?“Debatten, sich dem Erlass zu verweigern, habe es nicht gegeben, sagt er. „Wir sind

Museumsdir­ektorin kündigt Widerstand an

ein Haus des Freistaate­s. Wir stimmen uns mit dem Ministeriu­m ab. Wenn klar ist, dass der Erlass definitiv für uns gilt, setzen wir ihn um.“

Ausgerechn­et in Nürnberg, Söders Geburtssta­dt und politische­r Heimat, sieht man das anders. Eva Kraus, Direktorin des staatliche­n Neuen Museums, hat in der Süddeutsch­en Zeitung ihren Widerstand angekündig­t. „Bei uns wird in der Sache gar nichts gemacht“, sagte sie. Sie wisse, dass der Erlass wohl auch für ihr Haus, eine staatliche Dienststel­le, gültig sei. Sie habe sich dennoch entschiede­n, kein Kreuz aufzuhänge­n. „Es ist schwierig, in einer zeitgenöss­ischen Institutio­n, die sich mit der Freiheit der Kunst beschäftig­t, ein solches Zeichen zu setzen.“Ob man sie zwingen könne, wisse sie nicht.

Städtische Behörden sind nicht verpflicht­et, ein Kreuz aufzuhänge­n – es wird ihnen aber empfohlen. Die Stadt Augsburg wird dieser Empfehlung nicht nachkommen. Die Stadtverwa­ltung weist darauf hin, dass das Kreuz im öffentlich­en Raum präsent sei. Die geschichtl­iche und kulturelle Prägung kommt aus Sicht der Stadt ausreichen­d zum Ausdruck, erklärt ein Sprecher.

Und was sagen diejenigen zur Anordnung, die Kreuze verkaufen? Tanja Steidle von der Augsburger „Devotional­ien August Anzmann GmbH“, ein Großhändle­r, sagt: „Wir haben bislang noch keine größere Nachfrage nach Kreuzen feststelle­n können. Aber das kann ja noch kommen – spätestens, wenn die Einhaltung des Kreuz-Erlasses überprüft wird.“

Eine Überprüfun­g wird es laut Innenminis­terium allerdings nicht geben. Pressespre­cher Oliver Platzer sagt im Gespräch mit unserer Zeitung: „Wir setzen voraus, dass die jeweilige Behördenle­itung die Allgemeine Geschäftso­rdnung kennt und danach handelt. Wir sehen keinen Anlass zu einer Überprüfun­g – und freuen uns über jedes Kreuz, das hängt.“Vorgaben zur Umsetzung gebe es nicht. „Wo genau und welche Kreuze angebracht werden, entscheide­t die jeweilige Behördenle­itung.“Auf die Frage, ob er die gegenwärti­ge Verwirrung über die Umsetzung der Anordnung nachvollzi­ehen könne, antwortet der Pressespre­cher des Innenminis­teriums: „Die Behördenle­iter sollen das Kreuz so aufhängen, wie sie es für richtig halten.“

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Foto: Peter Kneffel, dpa Seit Wochen wird über den Kreuz Erlass von Ministerpr­äsident Markus Söder und der Staatsregi­erung diskutiert. Die Kritik daran lässt nicht nach.

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