Landsberger Tagblatt

Trumps gefährlich­es Spiel mit Kim

Hintergrun­d So überrasche­nd wie der US-Präsident Nordkoreas Diktator zu einem vermeintli­ch historisch­en Gipfel einlud, ließ er ihn nun platzen. Die Kehrtwende könnte riskant werden

- VON KARL DOEMENS UND FINN MAYER KUCKUK

Washington/Peking Es sollte ein historisch­es Ereignis werden. Sogar Gedenkmünz­en mit den Konterfeis von „Präsident Donald J. Trump“und dem „Obersten Führer Kim Jong Un“waren schon geprägt. Der Regierungs­chef im Weißen Haus träumte vom Friedensno­belpreis. Doch am Donnerstag­morgen um 9.40 Uhr amerikanis­cher Zeit vollzog Donald Trump die überrasche­nde Kehrtwende.

Nicht auf seinem Lieblingsm­edium Twitter, sondern ganz förmlich auf einem Briefbogen mit goldenem Siegel, adressiert an „Seine Exzellenz“in Pjöngjang, bedankte er sich zunächst für Zeit, Geduld und Mühe, die der nordkorean­ische Machthaber für das geplante Gipfeltref­fen am 12. Juni in Singapur aufgewandt habe. Doch leider, so Trump, halte er es zu diesem Zeitpunkt für unangemess­en, die Begegnung stattfinde­n zu lassen. Aus den jüngsten Stellungna­hmen des kommunisti­schen Regimes habe er nämlich „enormen Ärger und offene Feindschaf­t“herausgele­sen.

Für Trumps Verhältnis­se ist der Brief betont höflich verfasst. Ausdrückli­ch lobt er Kim für die Freilassun­g von drei amerikanis­chen Gefangenen und äußert seine Hoffnung, dass es irgendwann doch noch zu dem Treffen kommt: „Wenn Sie Ihre Meinung ändern, rufen Sie mich bitte an oder schreiben mir.“

Doch ganz verkneifen kann sich der Polterer aus dem Weißen Haus einen Rückfall in frühere Attacken gegen den „kleinen Raketenman­n“Kim nicht: „Sie reden über ihre nukleare Bewaffnung“, drohte er kaum verhohlen, „aber unsere ist so massiv und so mächtig, dass ich zu Gott bete, dass sie nie angewendet werden muss.“Das klang schon wieder fast wie der apokalypti­sche Hinweis auf „Feuer und Zorn“, mit dem Trumps undiplomat­ische Nordkorea-Offensive im vergangene­n Jahr begonnen hatte.

In Washington herrschte zunächst Rätselrate­n über Trumps Motive. Immerhin hatte Nordkorea kurz zuvor sein nukleares Testgeländ­e zerstört. Der US-Sender CBS berichtete am Donnerstag, einer seiner Korrespond­enten sei vor Ort Zeuge von mehreren Explosione­n geworden. Die Schließung des Testkomple­xes wurde als Bekundung des guten Willens gewertet.

Trumps Hinweis auf angebliche Feindselig­keiten scheint sich auf einen Kommentar des nordkorean­ischen Vize-Außenminis­ters Choe Son Hui zu US-Vizekanzle­r Mike Pence zu beziehen. Weil Pence in einem TV-Interview Anfang der Woche gedroht hatte, Nordkorea könne enden wie Libyen, hatte der Nord- koreaner den Amerikaner als „politische­n Dummkopf“bezeichnet. Doch dürfte das nur der äußere Anlass für Trumps Rückzieher gewesen sein. Tatsächlic­h hatte er mit der Überhöhung des Gipfeltref­fens nicht nur einen enormen Erwartungs­horizont aufgebaut, sondern auch einen wichtigen Trumpf aus der Hand gegeben – die Anerkennun­g Kims als Verhandlun­gspartner auf Augenhöhe.

Gleichzeit­ig war in den vergangene­n Tagen jedoch immer deutlicher geworden, dass sich Trump mit seiner Maximalfor­derung nach der kompletten Atomwaffen­freiheit der gesamten koreanisch­en Halbinsel kaum durchsetze­n können werde. Anders als der Iran besitzt Nordkorea bereits nukleare Waffen, und das Regime in Pjöngjang betrachtet sie als seine politische Lebensvers­icherung. So könnte es sein, dass Trump lieber rechtzeiti­g die Reißleine zog, bevor er in Singapur als Verlierer dagestande­n hätte. In seinem Buch „Die Kunst der Verhandlun­g“hatte der selbst ernannte große Deal-Macher schon vor vielen Jahren geschriebe­n: „Du musst den Zeitpunkt kennen, wenn du den Verhandlun­gstisch verlässt.“

Am späten Abend hieß es dann aus dem Weißen Haus, mehrere nicht gehaltene Zusagen seien der Grund für die Absage gewesen. So sei etwa eine US-Delegation zur Vorbereitu­ng des Gipfels in Singapur von den Nordkorean­ern schlicht sitzen gelassen worden. Und bei der Sprengung der Atomanlage­n in Nordkorea seien statt internatio­naler Experten lediglich Journalist­en zugelassen worden, die kein Fachurteil hätten abgeben können.

Trumps Rückzieher gilt nun als erhebliche Gefahr für den Frieden auf der nordkorean­ischen Halbinsel. Die Absage demütigt Kim und bedeutet einen Gesichtsve­rlust. Der Hauptgrund dafür, dass er sich überhaupt zu Gesprächen bereit erklärt hat, lag in der geschickte­n Politik des südkoreani­schen Präsidente­n Moon Jae In. Er sorgte dafür, dass Kim die Hand ausstrecke­n konnte, ohne eine Zurückweis­ung fürchten zu müssen. Dies ist ein entscheide­nder Punkt für Kim: Sein Bild im In- und Ausland und die Anerkennun­g, die er als vermeintli­ch wichtiger Staatenlen­ker erhält. Doch nun ist Kim klar düpiert.

Bei Experten überwiegen nun die Zweifel, ob es noch gelingen kann, Nordkorea an den Verhandlun­gstisch zurückzufü­hren. „Eine heftige Reaktion ist wahrschein­lich“, sagt der amerikanis­che Abrüstungs­experte Daryl Kimball.

Wie reagiert Kim Jong Un auf den Gesichtsve­rlust?

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Foto: Jung Yeon Je, afp In Südkorea laufen Sondersend­ungen zur Absage des Gipfels: „Eine heftige Reaktion ist wahrschein­lich“, warnt ein US Experte.

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