Peek & Cloppenburg wirbt mit Nazi Vokabular
Handel Die Hamburger Modekette bringt ein Prospekt heraus, in dem der Spruch „Jedem das Seine“zu finden ist. Im Internet ist die Kritik groß. Das Unternehmen rudert zurück und verweist auf die lange Geschichte des Satzes
Augsburg Auf den ersten Blick wirkt die Werbung harmlos: Acht weiße Hemden, mal mit Krawatte, mal mit Fliege, einmal mit offenem Kragen. Dazu heißt es: „Jedem das Seine.“Jeder Mann, so die Botschaft, soll sein Hemd so tragen, wie es ihm gefällt. Eine Million Haushalte im Norden Deutschlands hatten das dazugehörige Prospekt über das Pfingstwochenende im Briefkasten.
Urheber ist der Modehändler Peek & Cloppenburg in Hamburg. Ähnlich wie beim Aldi-Imperium gibt es auch bei P&C zwei voneinander unabhängige Unternehmen desselben Namens, die zwar auf eine Familie zurückgehen, sonst aber nicht mehr viel miteinander zu tun haben. Der norddeutsche Ableger sieht sich nun scharfer Kritik ausgesetzt. Denn der Spruch „Jedem das Seine“ist nicht unbelastet. Der Satz stand über dem Eingang des NS- Konzentrationslagers Buchenwald. Er war von innen lesbar, also als direkte, zynische Botschaft an all jene Menschen gedacht, die in dem Lager eingesperrt waren.
Dirk Popp berät Unternehmen seit Jahren in kritischen Situationen. Trotzdem, sagt er, sei er immer noch „baff“, wenn er eine PR-Krise wie diese mitbekomme. In einem Unternehmen in der Größe von Peek & Cloppenburg würden Werbetexte durch unzählige Hände gehen. „Es ist manchmal kaum nachvollziehbar, wie der gesunde Menschenverstand versagt“, betont er. Nach seiner Einschätzung würden die Fehler oft im Unternehmen sogar erkannt, aber Mitarbeiter hätten Angst, ihr Wissen nach oben weiterzugeben – aus Furcht vor dem Chef oder enormen Mehrkosten, wenn zum Beispiel ein Prospekt noch mal gedruckt werden müsste.
Tritt der Krisenfall ein, rät Popp seinen Kunden, einen kühlen Kopf zu bewahren. Peek & Cloppenburg habe in dieser Hinsicht richtig gehandelt. Nachdem die Sächsische Zeitung ein Bild der Werbung auf Twitter gestellt hatte, entschuldigte sich das Unternehmen. Eine Sprecherin nannte den Ausdruck gegenüber dem Evangelischen Pressedienst eine „verbale Ungeschicklichkeit“. Es habe nicht in der Absicht des Unternehmens gelegen, die Gefühle anderer zu verletzen.
Der Ausdruck lässt sich bis auf antike Verteilungstheorien zurückverfolgen, darauf verweist auch die P&C-Sprecherin. Der römische Politiker Cicero verwendete die Redewendung, der griechische Philosoph Platon ebenfalls. Erst die Nationalsozialisten prägten die negative Lesart des Satzes mit der Inschrift am Eingangstor des KZ Buchenwald. Aber auch heute liest man den Ausdruck noch an einigen Orten – unter anderem in der lateinischen Variante suum cuique, die Bestandteil der Gerechtigkeitsformel an den Decken von Gerichtsgebäuden ist.
Dass sich Unternehmen mit ihren Produkten oder ihrer Werbung in einen Shitstorm manövrieren, kommt immer wieder vor. Zuletzt hatten sich weltweit Menschen über H&M aufgeregt. Der schwedische Textilriese hatte mit einem farbigen Kindermodel geworben, das ein T-Shirt mit dem Aufdruck „The coolest monkey in the jungle“trug. Aktivisten und Prominente riefen zum Boykott auf, in Südafrika wurden H&M-Filialen verwüstet.
Auch die spanische Modekette Zara kennt sich mit Entrüstungsstürmen aus: Vor drei Jahren nahm das Unternehmen ein T-Shirt für Kinder aus dem Online-Sortiment, weil sich im Internet tausende Menschen beschwert hatten. Das Oberteil war gestreift, auf der linken Seite prangte ein gelber Stern. Viele Kunden fühlten sich deshalb an jene Kleidung erinnert, die Juden in den Konzentrationslagern des Dritten Reichs tragen mussten.
Ein solcher Shitstorm kann das Image eines Konzerns beschädigen, betont Krisenexperte Popp. Allerdings sei der Effekt nicht von allzu langer Dauer. Der Verbraucher sei besonders bei Modeherstellern sehr vergesslich, sagt der Fachmann und fügt hinzu: „Der nächste Sale kommt bestimmt.“