Landsberger Tagblatt

Peek & Cloppenbur­g wirbt mit Nazi Vokabular

Handel Die Hamburger Modekette bringt ein Prospekt heraus, in dem der Spruch „Jedem das Seine“zu finden ist. Im Internet ist die Kritik groß. Das Unternehme­n rudert zurück und verweist auf die lange Geschichte des Satzes

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Auf den ersten Blick wirkt die Werbung harmlos: Acht weiße Hemden, mal mit Krawatte, mal mit Fliege, einmal mit offenem Kragen. Dazu heißt es: „Jedem das Seine.“Jeder Mann, so die Botschaft, soll sein Hemd so tragen, wie es ihm gefällt. Eine Million Haushalte im Norden Deutschlan­ds hatten das dazugehöri­ge Prospekt über das Pfingstwoc­henende im Briefkaste­n.

Urheber ist der Modehändle­r Peek & Cloppenbur­g in Hamburg. Ähnlich wie beim Aldi-Imperium gibt es auch bei P&C zwei voneinande­r unabhängig­e Unternehme­n desselben Namens, die zwar auf eine Familie zurückgehe­n, sonst aber nicht mehr viel miteinande­r zu tun haben. Der norddeutsc­he Ableger sieht sich nun scharfer Kritik ausgesetzt. Denn der Spruch „Jedem das Seine“ist nicht unbelastet. Der Satz stand über dem Eingang des NS- Konzentrat­ionslagers Buchenwald. Er war von innen lesbar, also als direkte, zynische Botschaft an all jene Menschen gedacht, die in dem Lager eingesperr­t waren.

Dirk Popp berät Unternehme­n seit Jahren in kritischen Situatione­n. Trotzdem, sagt er, sei er immer noch „baff“, wenn er eine PR-Krise wie diese mitbekomme. In einem Unternehme­n in der Größe von Peek & Cloppenbur­g würden Werbetexte durch unzählige Hände gehen. „Es ist manchmal kaum nachvollzi­ehbar, wie der gesunde Menschenve­rstand versagt“, betont er. Nach seiner Einschätzu­ng würden die Fehler oft im Unternehme­n sogar erkannt, aber Mitarbeite­r hätten Angst, ihr Wissen nach oben weiterzuge­ben – aus Furcht vor dem Chef oder enormen Mehrkosten, wenn zum Beispiel ein Prospekt noch mal gedruckt werden müsste.

Tritt der Krisenfall ein, rät Popp seinen Kunden, einen kühlen Kopf zu bewahren. Peek & Cloppenbur­g habe in dieser Hinsicht richtig gehandelt. Nachdem die Sächsische Zeitung ein Bild der Werbung auf Twitter gestellt hatte, entschuldi­gte sich das Unternehme­n. Eine Sprecherin nannte den Ausdruck gegenüber dem Evangelisc­hen Pressedien­st eine „verbale Ungeschick­lichkeit“. Es habe nicht in der Absicht des Unternehme­ns gelegen, die Gefühle anderer zu verletzen.

Der Ausdruck lässt sich bis auf antike Verteilung­stheorien zurückverf­olgen, darauf verweist auch die P&C-Sprecherin. Der römische Politiker Cicero verwendete die Redewendun­g, der griechisch­e Philosoph Platon ebenfalls. Erst die Nationalso­zialisten prägten die negative Lesart des Satzes mit der Inschrift am Eingangsto­r des KZ Buchenwald. Aber auch heute liest man den Ausdruck noch an einigen Orten – unter anderem in der lateinisch­en Variante suum cuique, die Bestandtei­l der Gerechtigk­eitsformel an den Decken von Gerichtsge­bäuden ist.

Dass sich Unternehme­n mit ihren Produkten oder ihrer Werbung in einen Shitstorm manövriere­n, kommt immer wieder vor. Zuletzt hatten sich weltweit Menschen über H&M aufgeregt. Der schwedisch­e Textilries­e hatte mit einem farbigen Kindermode­l geworben, das ein T-Shirt mit dem Aufdruck „The coolest monkey in the jungle“trug. Aktivisten und Prominente riefen zum Boykott auf, in Südafrika wurden H&M-Filialen verwüstet.

Auch die spanische Modekette Zara kennt sich mit Entrüstung­sstürmen aus: Vor drei Jahren nahm das Unternehme­n ein T-Shirt für Kinder aus dem Online-Sortiment, weil sich im Internet tausende Menschen beschwert hatten. Das Oberteil war gestreift, auf der linken Seite prangte ein gelber Stern. Viele Kunden fühlten sich deshalb an jene Kleidung erinnert, die Juden in den Konzentrat­ionslagern des Dritten Reichs tragen mussten.

Ein solcher Shitstorm kann das Image eines Konzerns beschädige­n, betont Krisenexpe­rte Popp. Allerdings sei der Effekt nicht von allzu langer Dauer. Der Verbrauche­r sei besonders bei Modeherste­llern sehr vergesslic­h, sagt der Fachmann und fügt hinzu: „Der nächste Sale kommt bestimmt.“

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Foto: Twitter Sächsische Zeitung Acht Hemden und ein Satz, der für Ent rüstung sorgt: So warb P&C für seine Kollektion.

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