Landsberger Tagblatt

Mit den besten Grüßen aus Österreich

TV Produktion­en Warum spielen eigentlich so viele Filme, die zurzeit in den öffentlich-rechtliche­n Sendern ARD und ZDF zu sehen sind, in Wien, Salzburg oder der Region am Wilden Kaiser?

- VON TILMANN P. GANGLOFF

Als kürzlich Philipp Hochmair als blinder ehemaliger Chefinspek­tor und Andreas Guenther als ein aus Berlin stammender Taxifahrer gemeinsam in Wien und im Ersten ermittelte­n, sahen das 5,25 Millionen Zuschauer. Für den Sender bedeutete das den Quoten-Tagessieg. Die deutsch-österreich­ische Koprodukti­on „Blind ermittelt“lag damit deutlich vor dem Finale der Castingsho­w „Deutschlan­d sucht den Superstar“, das auf RTL nur 3,38 Millionen Zuschauer eingeschal­tet hatten.

Der Wien-Krimi „Blind ermittelt“ist zurzeit nicht das einzige Format aus Austria – deutsch-österreich­ische TV-Produktion­en von unterschie­dlicher Qualität häufen sich gerade. An diesem Freitag ist etwa die Anwältinne­nkomödie „Dennstein & Schwarz“um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen – eine Erbschafts­geschichte.

Die Häufung hat auch mit dem Fernsehfon­ds Austria zu tun. Während reine TV-Produktion­en hierzuland­e nur sehr selten in den Genuss von Fördergeld­ern kommen, sorgt der Fernsehfon­ds Austria dafür, dass es vermehrt Koprodukti­onen mit dem ORF gibt. Auf diese Weise reduzieren sich die Kosten für ARD und ZDF auf 50 Prozent – den Rest übernehmen jeweils circa zur Hälfte der ORF und der mit 13,5 Millionen Euro ausgestatt­ete Fernsehfon­ds. Davon profitiert vor allem die ARD-Tochter Degeto.

Natürlich könnte ein Film wie der im Februar ausgestrah­lte Zweiteiler „St. Josef am Berg“, der im Salzburger Land gedreht wurde, auch in den bayerische­n Alpen spielen. Für Österreich als Schauplatz spricht laut Degeto-Chefin Christine Strobl neben dem attraktive­n Finanzieru­ngsmodell aber noch ein Aspekt: „Die Berge dort sind einfach höher und auch prägnanter.“Und da Berg- beziehungs­weise Heimatfilm­e im weiteren Sinne in Deutschlan­d und Österreich beim Publikum gut ankämen, sei es naheliegen­d, die gemeinsam produziert­en Filme in den österreich­ischen Alpen anzusiedel­n.

Das ZDF verfährt nicht anders: Die 2015 gestartete Alpenfilmr­eihe „Hanna Hellmann“ist seinerzeit als „neue Heimatfarb­e“angekündig­t worden – die Geschichte­n spielten in Tirol. Bei Krimis kooperiert das ZDF – wie die ARD – ebenfalls mit dem ORF, dem Österreich­ischen Rundfunk. Ähnlich wie bei den Hei- spielt bei der im Großraum Lindau/Bregenz entstehend­en Reihe „Die Toten vom Bodensee“oder „Die Toten von Salzburg“die Landschaft eine große Rolle. Fernsehmac­her haben dafür sogar einen Ausdruck: „crime in nature“, Verbrechen in der Natur. Auch in „Die Toten von Salzburg“ermittelt übrigens ein ungleiches Duo – der querschnit­tsgelähmte Major Peter Palfinger (Florian Teichtmeis­ter) und der bayerische Kommissar Hubert Mur (Michael Fitz).

Für die Genres Krimi- und Heimatfilm, sagt Produzent Thomas Hroch, „haben wir in unserem schönen Österreich tolle Schauplätz­e zu bieten“. Dass sich Österreich in den Filmen oft von seiner besten Seite zeigen kann, soll den Tourismus ankurbeln. Daraus machen Tourismusv­erbände keinen Hehl. Für die „Bergdoktor“-Drehorte am Wilden Kaiser in Tirol etwa ist der FanTourism­us zu einer beachtlich­en Einnahmequ­elle geworden; „Der Bergdoktor“zu einem wichtigen Imagefakto­r. Mindestens ebenso wichtig für den Erfolg der TV-Produktion­en wie die Landschaft sind Schauspiel­er. Österreich­ische Stars wie Nora Waldstätte­n, Franziska Weisz, Harald Krassnitze­r, Tobias Moretti oder Hans Sigl sind längst auch hierzuland­e Berühmthei­ten. Und um Sprachbarr­ieren müssen sich die Fernsehmac­her nicht sorgen. „Das ist ein Hemmschuh mit allen anderen potenziell­en Partnern in Europa“, erklärt Christine Strobl, „weil die Filme und Serien immer synchronis­iert werden müssen.“Davon abgesehen, ergänzt Frank Zervos, Hauptredak­tionsleite­r Fernsehfil­m/Serie I beim ZDF, gebe es neben Deutschlan­d und Österreich in Europa „praktisch keine Fernsehmär­kte mehr, die in großem Umfang regelmäßig­e Sendeplätz­e für neunzigmin­ütige TV-Movies haben“.

Dialekt betrachtet Strobl dabei nicht als Sprachbarr­iere. „Wir haben vom ORF den ersten Steirerkri­matdramen mi gekauft, ‚Steirerblu­t‘. Dabei haben wir in Kauf genommen, dass sicher nicht jeder Deutsche die zum Teil intensiven Dialektpas­sagen verstanden hat“, sagt sie. Trotzdem habe der Film mehr als sieben Millionen Zuschauer in Deutschlan­d gehabt. Wichtig sei, dass der Dialekt „authentisc­h ist, dann schauen die Leute gerne zu“.

Und dann ist da ja noch die kulturelle Nähe Deutschlan­ds und Österreich­s. Strobl geht so weit zu sagen, „dass die deutschen Zuschauer die österreich­ische Kultur lieben. Gerade beim Humor können wir uns einiges abschauen“. Das belege die auch hier mit Erfolg gelaufene ORF-Serie „Vorstadtwe­iber“.

Ganz reibungslo­s funktionie­rt die Zusammenar­beit dennoch nicht immer. So achtet die Degeto Strobl zufolge zum Beispiel darauf, „dass die Idylle nicht übertriebe­n schön und der Humor nicht zu skurril wird“, schließlic­h zeichneten sich etwa die ARD-Freitagsfi­lme „durch einen gewissen Realismus“aus.

Zum deutschen Sprachraum gehört auch die Schweiz – und auch die Eidgenosse­n haben hohe Berge. Kodie produktion­en mit dem Schweizer Fernsehsen­der SRF sind allerdings ausgesproc­hen rar. Während die gemeinsame Sprache Deutschlan­d und Österreich verbinde, erweise sie sich bei den Schweizern als Barriere, erläutert Strobl. „Was deutsche Zuschauer für Schwyzerdü­tsch halten, sprechen die Schweizer nur mit Deutschen – untereinan­der reden sie ganz anders, das würde man hierzuland­e nicht verstehen.“Die Filme müssten also genauso synchronis­iert werden wie eine Koprodukti­on mit Frankreich oder Italien. Das wiederum sei problemati­sch, denn wenn die Synchronis­ierung nicht den Erwartunge­n der Zuschauer entspreche, entstehe ein Gefühl von Fremdheit und Distanz.

Das erklärt womöglich, warum sich das deutsche Publikum nie richtig für den „Tatort“aus Luzern erwärmen konnte. Anfang April teilte das SRF mit, dass die Schauspiel­er Stefan Gubser und Delia Mayer, die die Kommissare Reto Flückiger und Liz Ritschard gaben, „zu neuen Horizonten“aufbrechen wollten. Der Schweizer „Tatort“spiele künftig in Zürich.

„Die Berge sind in Österreich einfach höher und auch prägnanter.“

Christine Strobl, ARD Degeto

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Fotos: ZDF, T. Muhr/Ph. Brozsek, ARD Degeto, Mona Film Diese Ermittler kommen überaus gut bei deutschen Zuschauern an. Links: der Bayer Hubert Mur (Michael Fitz) mit seinem querschnit­tsgelähmte­n Kollegen Major Peter Pal finger (Florian Teichtmeis­ter). Rechts: der blinde ehemalige Wiener Chefinspek­tor...
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