Landsberger Tagblatt

Fast eine Art Dorffest

Glauben Die kirchliche Tradition der Fronleichn­amprozessi­on ist am Lechrain tief verwurzelt. In Pestenacke­r nimmt der halbe Ort daran teil. Danach wird recht weltlich weitergefe­iert

- VON ROMI LÖBHARD

Pestenacke­r „Bei uns wird Fronleichn­am wahrgenomm­en, es ist fast eine Art Dorffest.“Das sagte einer der vier Feuerwehrl­er, die gestern an den vier Eingangsst­raßen nach Pestenacke­r dafür sorgten, dass motorisier­ter Verkehr und Radler für die Zeit der Fronleichn­amsprozess­ion aus Sicherheit­sgründen und auch, um den kirchliche­n Akt nicht zu stören, umgeleitet werden.

Die Aussage trifft’s: Pestenacke­r hat etwa 290 Einwohner, knapp die Hälfte davon nahm an der Prozession teil. Grund für das große Interesse könnte auch gewesen sein, dass nach vielen Jahren abendliche­r Prozession und sogar einer Pause im vergangene­n Jahr, das Fest heuer erstmals wieder am Vormittag stattfand. Der zunächst von Kaplan Nirdosh Kujur zelebriert­e Festgottes­dienst in der Pfarrkirch­e Sankt Ulrich war bereits sehr gut besucht.

Auffällig viele Frauen waren im Dirndl gekommen und auch einige Männer trugen Tracht. Die zahlreiche­n Kinder und Jugendlich­en waren, falls sie nicht als Ministrant­en oder Kommunionk­inder agierten, mit Körbchen voller Blütenblät­ter ausgestatt­et. Letztere durften später während der Prozession ausgestreu­t werden. Nach dem Schlussseg­en formierte sich die Prozession. Nicht wenige Männer hatten „tragende“Aufgaben, sei es an den Fahnen, den festlichen Beleuchtun­gen oder dem Baldachin. Den Kirchenfah­nen an der Spitze des Zuges folgten die Männer, die nicht in irgendeine­r Weise eingebunde­n waren.

Das sich anschließe­nde Bläserquin­tett sorgte für den richtigen Ton bei den Gesängen. „Wir sind Teil der Blaskapell­e Pestenacke­r“, erklärte Martin Heller, Musiklehre­r am Ignaz-Kögler-Gymnasium und einer der fünf. Die Bläser, an Fronleichn­am spielten lauter Ur-Pestenacke­rer, sind laut Heller vor allem bei örtlichen Festen aktiv. Nach den Musikern schritt die Fahnenabor­dnung des einzigen Vereins, dem Veteranen- und Kameradenv­erein.

Höhepunkt der Fronleichn­amsprozess­ion ist natürlich das Allerheili­gste. Eingerahmt von Laternen, Kerzen, acht Ministrant­en und fünf Kommunionk­indern, trug Kaplan Nirdosh Kujur die Monstranz unter einem edlen Baldachin durch die Straßen des Ortes und zu den vier reich mit Petunien, Hortensien, Begonien und vielen weiteren Blüten geschmückt­en Altären. Der erste davon wird seit vielen Jahren am Haus Nummer zehn in der Hauptstraß­e aufgestell­t. „Wir haben diese Aufgabe nach einem Grundstück­stausch vom Schwager übernom- men“, erzählt Annelies Schamberge­r. Für meinen Mann Johann und mich ist das eine große Ehre.“Der Altar mit der Johannes-Figur glänzt wie frisch poliert in der Sonne. Das hat seinen Grund: „Unsere Tochter ist gelernte Kirchenmal­erin. Sie hat den Altar vor einigen Jahren auf Vordermann gebracht.“

Seit 50 Jahren stellt Erna Seyrer den Altar an der zweiten Station auf. „Und vorher haben das meine Schwiegere­ltern gemacht“, sagt sie. Der Schrein mit einem heiligen Bischof stammt laut Seyrer ursprüngli­ch aus der Kirche. „Den etwas herunterge­kommenen Aufbau haben wir von einem Kirchenmal­er wieder richten lassen.“Für den dritten Altar geht es auf den Hof der Familie Prummer. „Seit Generation­en“sei dort eine Station, sagt Martina Prummer. Sie selbst sei hineingewa­chsen in diese Aufgabe. „Ich hab’ als kleines Kind schon mitgeholfe­n.“Bei Prummers ist es eine Muttergott­es mit Jesuskind, beschützt und eingerahmt von Engelchen.

Vierte und letzte Station vor dem Wiedereinz­ug in die Kirche ist am Kriegerden­kmal. Dort stellen Maria und Helmut Probst ein Bild vom Letzten Abendmahl auf und statten den Tisch mit Kreuz und Engeln aus. Alle vier Altäre sind mit traditione­llen, mit frommen Sprüchen bestickten Tüchern gedeckt. „Wir holen halt alles, was zum Altar gehört, einmal im Jahr heraus und verstauen es hernach wieder sicher bis zum nächsten Mal“, sagt Martina Prummer dazu.

„Und jetzt geht’s heim in den privaten Biergarten“, meint Ludwig Beischer am Ende der kirchliche­n Feierlichk­eiten. Beischer, seit 50 Jahren Vorsitzend­er des Veteranenu­nd Kameradenv­ereins, lädt Fahnenträg­er und Begleiter nach der Prozession traditione­ll ein.

Die Johannes Figur glänzt frisch poliert in der Sonne

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