Landsberger Tagblatt

Donnerlipp­chen!

Als Comedians noch nicht erfunden waren, begrüßte Jürgen von der Lippe seine Sorgen mit „Guten Morgen“. Der Humor des jetzt 70-Jährigen ist umstritten

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Der Stoßseufze­r „Guten Morgen, liebe Sorgen“– wer kennt ihn nicht. Wenn es mal nicht so richtig nach Wunsch läuft im Leben. Und wann tut es das schon? Untrennbar ist diese Bereicheru­ng der deutschen Sprache mit einem Unikum verbunden, das Jürgen von der Lippe heißt – ein Multitalen­t: Fernsehmod­erator, Showmaster, „Vortragskü­nstler“(so sagte man früher). Und wer es nicht geschafft hat, zwischen 1986 und 1988 eine seiner Shows mit dem Sprüchlein „Donnerlipp­chen“zu sehen, dem blieb – nach dem Motto „Lippe lässt lachen“– die offene Frage: „Kommt ein Komiker zum Arzt …“Man merkt, dass Lippes kesse Lippe auch heute noch funktionie­rt, wenn sich schenkelkl­opfende Männer in Kneipen schieflach­en.

Ob die Karriere des Kleinkünst­lers mit bürgerlich­em Namen erfolgreic­h verlaufen wäre? Dem Hans-Jürgen Dohrenkamp, Sohn eines Barmixers und einer Diätköchin, wurde der Künstlerna­me gleichsam in die Wiege gelegt. Denn die stand in Bad Salzuflen im Lippeland (Nordrhein-Westfalen).

In den wilden Studentenj­ahren im Berlin der 70er Jahre vertonte er Kästnerund Ringelnatz-Verse. Ein Kontrastpr­ogramm lieferte von der Lippe als Mitgründer der Nonsens-Liedermach­er-Gruppe „Gebrüder Blattschus­s“. Als deren

Song „Kreuzberge­r Nächte“kurz vor dem Einzug in die Charts war, wandelte Jürgen von der Lippe auf neuen Pfaden. Für eine WDR-Hörfunkser­ie entwickelt­e er die Kunstfigur „Hubert Lippenblüt­er“und hatte damit den „letzten sauerländi­schen Junggesell­en“etabliert.

Stets vom Hantieren mit der Sprache fasziniert, traf er den Nerv des Publikums oder ging ihm wahlweise auf die Nerven. Was wundert, da er bis heute den Alltag in seine Bestandtei­le zerlegt, bewusst geschwolle­n formuliert und Ehepaaren mit ihren Problemen den Spiegel vorhält.

Wer Jürgen von der Lippe kennt, dem ist auch die gerne tränenfeuc­ht moderieren­de Talkerin Margarethe Schreinema­kers von Privatsend­ern vertraut. Zwischen 1986 und 1988 war von der Lippe mit der Moderatori­n verheirate­t. Als ihre letzte Sendung anstand, sang ihr der Ex-Ehemann ein rührendes Ständchen. Da hat man ja fast Verständni­s für die vielen Jahre, in denen man Jürgen von der Lippe im Hawaii-Hemd ertragen musste.

Heute lebt der Hobbykoch wieder mit seiner ersten Ehefrau Anne Dohrenkamp zusammen. Mit ihr wird er heute auch seinen 70. Geburtstag feiern.

Die großen Tage des TV-Entertaine­rs sind vorbei. Dass er in „Donnerlipp­chen“Kandidaten der Lächerlich­keit preisgebe, brachte ihm viel Kritik ein. Anderersei­ts gewann er den Grimme-Preis für „Geld oder Liebe“.

Eines mag Jürgen von der Lippe nicht: „Wenn alle sagen: ganz nett. Das ist der Tod im Job.“Die Leute, „die müssen auch sagen, schrecklic­h, der Typ.“Rupert Huber

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Foto: Sven Simon

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