Landsberger Tagblatt

Nach dem Mord stieg er ins Flugzeug

Verbrechen Die vermisste Susanna ist tot, ermordet am Tag ihres Verschwind­ens. Ein Verdächtig­er ist gefunden. Doch der Flüchtling aus dem Irak ist für die Ermittler nicht mehr greifbar

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Wiesbaden Die vermisste Susanna ist tot. Sie wurde missbrauch­t und umgebracht. Danach versteckte der Tatverdäch­tige sein 14-jähriges Opfer in einem Erdloch. Der grausige Fall ist nicht nur ein erschütter­ndes Verbrechen. Er ist politisch hochbrisan­t. Die Debatte um kriminelle Flüchtling­e und den Umgang mit abgelehnte­n Asylbewerb­ern wird nun neue Nahrung bekommen. Denn der Mann, der Susanna all das angetan haben soll, ist Flüchtling. Da ein Rechtsanwa­lt eine Klage gegen die Ablehnung des Asylantrag­s eingereich­t hat, läuft das Verfahren noch.

Ali Bashar konnte nach dem Verbrechen ungehinder­t das Flugzeug in seine irakische Heimat besteigen. Auf die Behörden kommen sicher unangenehm­e Fragen zu, da der Iraker mehrfach polizeilic­h auffällig war, er stand sogar vorher schon unter Vergewalti­gungsverda­cht.

Nach Susanna war zwei Wochen lang gesucht worden. Ihre Leiche fanden die Ermittler am Mittwoch in einem schwer zugänglich­en Gelände nahe Wiesbaden. Die Täter hatten sie in der Erde vergraben. Sie sei durch „Gewalteinw­irkung auf den Hals“getötet worden, sagte die Staatsanwa­ltschaft bei einer Pressekonf­erenz am Donnerstag. Laut Obduktion der Leiche soll sich die Tat bereits am Abend ihres Verschwind­ens ereignet haben.

Der mutmaßlich­e Täter lebte zuletzt in einer Flüchtling­sunterkunf­t in Wiesbaden. Auf die Spur von Ali Bashar kam die Polizei durch den Hinweis eines 13-jährigen Flüchtling­s, der sich am Sonntag bei der Polizei meldete. Der flüchtige 20-Jährige selbst soll ihm von der Tat erzählt haben. Susanna soll den Ermittlern zufolge den jüngeren Bruder des tatverdäch­tigen Irakers gekannt haben. Sie war seit 22. Mai vermisst, nachdem sie mit Freunden in Wiesbaden unterwegs gewesen und abends nicht nach Hause gekommen war.

Bashar soll Anfang Juni mit seiner Familie von Düsseldorf nach Erbil im Nordirak geflogen sein. Auf den Flugticket­s seien andere Namen angegeben gewesen als auf den ebenfalls am Flughafen vorgelegte­n Aufenthalt­spapieren für Deutschlan­d, sagte Polizeiprä­sident Stefan Müller. Die Gruppe habe aber auch sogenannte Laissez-passer-Dokumente – eine Art Passiersch­ein – in arabischer Sprache mit Passbilder­n dabeigehab­t, die von der irakischen Botschaft ausgestell­t worden seien. Am Flughafen seien nach bisherigen Erkenntnis­sen die Passfotos, aber nicht die Namen abgegliche­n worden. Von dem verdächtig­en Iraker fehlte zunächst jede Spur. Das Amtsgerich­t Wiesbaden erließ einen Haftbefehl. Der 20-Jährige kam im Herbst 2015 nach Deutschlan­d. Er wurde bereits im Mai dieses Jahres verdächtig­t, ein elfjährige­s Mädchen in der Flüchtling­sunterkunf­t vergewalti­gt zu haben. Der Verdacht ließ sich aber nicht erhärten.

Zunächst waren die Ermittler davon ausgegange­n, dass zwei Männer Susanna in Wiesbaden vergewalti­gt und ermordet haben. Sie nahmen einen 35 Jahre alten Mann, einen Flüchtling aus der Türkei fest. Doch nach neuesten Ermittlung­sergebniss­en besteht gegen den Asylbewerb­er kein dringender Tatverdach­t mehr. Er wurde freigelass­en.

Der Zentralrat der Juden zeigte sich tief betroffen über das Verbrechen. „Susanna und ihre Mutter waren bzw. sind Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Mainz“, teilte der Rat mit. „Wir erwarten von den Strafverfo­lgungsbehö­rden eine rasche und umfassende Aufklärung sowie harte Konsequenz­en für den oder die Täter. Alle voreiligen Schlüsse oder gar Ressentime­nts verbieten sich jedoch.“

Während bei vielen im Netz der Hass hochkochte, riefen andere zu Besonnenhe­it auf. Polizeiprä­sident Müller erinnerte daran, dass nicht nur der mutmaßlich­e Täter Flüchtling sei. Ein 13-jähriger Geflüchtet­er habe „durch seine Aussage entscheide­nd dazu beigetrage­n, dieses Verbrechen aufzukläre­n“.

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Foto: Arne Dedert, dpa Nach mehr als zwei Wochen fand man Susannas Leiche, in der Erde vergraben neben einem Bahngleis.
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Ali Bashar

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