Erdogan erklärt sich zum Wahlsieger
Türkei Vor den Wahlen hatten viele auf einen Wechsel gehofft. Die Partei CHP will nun das Ergebnis nicht anerkennen
Istanbul Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat am Sonntagabend auf Basis von „inoffiziellen Ergebnissen“seinen Sieg bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen erklärt. Vorläufigen Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge kam Erdogan nach der Auszählung von mehr als 60 Prozent der Stimmen auf 53 Prozent. Der Kandidat der Oppositionspartei CHP, Muharrem Ince, lag demnach bei 31 Prozent. Die CHP warnte davor, vorzeitig einen Wahlsieger zu erklären und wollte das Ergebnis nicht anerkennen. Ein Vertreter der Partei sprach von „Manipulation“. Auch bei der Parlamentswahl wurde die Regierungsallianz von Erdogan stärkste Kraft. Dazu der Kommentar und mehr auf
Istanbul Die Fahnen schwenkenden Anhänger waren da, die Lautsprecher und die Gesänge vom starken Staatsmann Recep Tayyip Erdogan auch, selbst die Glückwünsche von Politikern aus dem In- und Ausland trafen ein. Doch der türkische Präsident wartete am Sonntagabend bis kurz vor 22 Uhr, um nach den Präsidentschaftsund Parlamentswahlen seine Siegesrede zu halten. Denn obwohl Erdogan die Präsidentenwahl nach ersten Ergebnissen mit rund 53 Prozent der Stimmen klar gewonnen hat, sackte seine Regierungspartei AKP im Vergleich zur letzten Wahl um sieben Prozentpunkte ab und verlor ihre Mehrheit. Ab sofort muss Erdogan mithilfe der Nationalisten-Partei MHP regieren.
In seiner Rede sprach Erdogan dann von einer „großen Verantwortung“für sich selbst und für die Mehrheitsfraktionen im Parlament. In Zukunft werde die Türkei „in allen Bereichen“gestärkt. Niemand solle ausgegrenzt werden, sagte der Präsident; Kritiker werfen Erdogan vor, zunehmend autokratisch zu regieren und den Druck auf Andersdenkende in den vergangenen Jahren drastisch erhöht zu haben.
Die türkische Opposition lief unterdessen Sturm gegen die Teilergebnisse, die von der regierungsnahen staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu verbreitet wurden. „Glaubt Anadolu nicht!“, schrieb Erdogans Herausforderer bei der Präsidentenwahl, Muharrem Ince, auf Twitter. Seine Partei CHP wollte die Ergebnisse nicht anerkennen und warf Erdogan „Manipulation“vor. Im Laufe des Abends glichen sich die Zahlen von Anadolu und dem von der Opposition getragenen StimmzählSystem Adil Secim immer mehr an. Der klare Sieg Erdogans war demnach unumstritten.
Auch bei der Stimmenverteilung der verschiedenen Parteien im Parlament ergab sich rund fünf Stunden nach Schließung der Wahllokale ein einigermaßen übereinstimmendes Bild: Demnach kommt die AKP auf etwa 297 von 600 Sitzen im Parlament und verpasst damit die absolute Mehrheit der Mandate knapp. Sie muss deshalb mit der rechten MHP koalieren, mit der sie ein Wahlbündnis geschlossen hatte.
Die türkische Opposition verpasste ihre Hauptziele, Erdogan bei der Präsidentschaftswahl in eine Stichwahl am 8. Juli zu zwingen und im Parlament eine Mehrheit der Erdogan-Gegner zusammenzubringen. Erdogan kann nun mit weitreichenden Machtbefugnissen unter dem neuen Präsidialsystem regieren, das ihn zur zentralen Figur in der türkischen Politik macht. Der Staatschef kann nun mindestens bis zur nächsten Wahl im Jahr 2023 im Amt bleiben und dann für eine weitere Amtszeit kandidieren.
Nach einem engagierten Wahlkampf, der bei einem Teil der 56 Millionen Wähler eine Wechselstimmung weckte, hoffte die Opposition auf ein Ende der 16-jährigen Herrschaft von Erdogan und der AKP. Anders als bei Wahlen in den vergangenen Jahren waren Erdogan-Gegner überzeugt, dass diesmal eine politische Veränderung in Ankara gelingen könnte. Deshalb lag die Wahlbeteiligung bei fast 90 Prozent. Am Ende reichte es jedoch nicht für Erdogans Kritiker; die Beliebtheit des 64-jährigen bei konservativen Türken entpuppte sich als unüberwindliches Hindernis. In Großstädten wie Istanbul zeigte sich die Polarisierung der türkischen Gesellschaft deutlicher: Hier stimmten jeweils rund die Hälfte der Wähler für und gegen den Präsidenten.