Landsberger Tagblatt

Landsberge­r Skipper darf keinen Hafen ansteuern

Seenotrett­ung Das Flüchtling­sschiff „Lifeline“hängt vor Malta fest. Claus-Peter Reisch ist sein Kapitän

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Malta Vor rund einem Jahr hatte unsere Zeitung zwei Mal über den Landsberge­r Claus-Peter Reisch berichtet, der als Seenotrett­er im Mittelmeer unterwegs ist. Jetzt ist der 57-Jährige wieder als Skipper dort, doch die Mission entwickelt sich zu einem Politikum: Wie die „Aquarius“der Hilfsorgan­isationen SOS Méditerran­ée und Médecins sans frontières darf jetzt auch die „Lifeline“keinen Hafen in Italien und Malta ansteuern.

„Die erste Rettung war am

15. Juni, wir haben 126 Menschen gerettet und an ein Handelssch­iff übergeben“, erzählt Claus-Peter Reisch am Telefon von seiner derzeitige­n Mission im Mittelmeer. Am

21. Juni, mitten in der Nacht, haben Reisch und seine Crew weitere 234 Menschen aus zwei Schlauchbo­oten gerettet, die in Libyen gestartet waren. „Es sind Menschen aus dem Sudan, von der Elfenbeink­üste, aus Bangladesc­h und Mali, sehr internatio­nal.“70 unbegleite­te Minderjähr­ige seien darunter. Es gebe keine medizinisc­hen Problemfäl­le darunter, die Flüchtling­e seien nur sehr unterernäh­rt. Die Mutter eines Säuglings sei komatös zusammenge­brochen, doch Reisch kann in so einem Fall auf medizinisc­hes Fachperson­al in seiner Crew zurückgrei­fen: „Wir haben einen Arzt, eine Intensivkr­ankenschwe­ster und fünf Leute mit einer Rettungssa­nitäteraus­bildung.“ Die italienisc­he Regierung wirft der Mannschaft der „Lifeline“vor, gegen internatio­nales Recht verstoßen zu haben, als sie vor der libyschen Küste die Menschen an Bord nahm, obwohl bereits die libysche Küstenwach­e im Einsatz gewesen sei. Die Flüchtling­e zurück nach Libyen zu bringen war für Kapitän Reisch aber keine Option. Er spricht von Folterlage­rn dort und schrecklic­hen Geschichte­n, die die Flüchtling­e erzählten. „Man kann die Leute da nicht hinbringen, ich bin verpflicht­et, sie in einen sicheren Hafen zu bringen.“

„Ich hab Striemen vom Auspeitsch­en gesehen“, erzählt auch Hans Rieß von Verletzung­en, die Flüchtling­e seiner Informatio­n nach in libyschen Lagern zugefügt wurden. Der Dießener war mehrfach für die Organisati­on Sea-Eye als Kapitän auf einem Rettungssc­hiff im Mittelmeer. Wenn jetzt die Hilfsorgan­isationen nicht mehr tätig werden dürfen, „dann ersaufen d’Leut’“, drückt es Rieß in drastische­m Bairisch aus. „Es ist eine Riesensaue­rei“, kritisiert Rieß, dass die Politik seit 20 Jahren um die Flüchtling­sproblemat­ik wisse und keine Lösungen gesucht habe.

„Auf dem Rücken dieser Menschen wird Europapoli­tik ausgetrage­n“, so auch die Einschätzu­ng von Claus-Peter Reisch. „Wir hatten am Donnerstag ein drittes Objekt auf dem Radar“, erzählt der Skipper von der Realität auf dem Mittelmeer. Und die aufgenomme­nen Flüchtling­e aus den zwei Schlauchbo­oten hätten auch bestätigt, dass es ein drittes Schlauchbo­ot gegeben habe. „In einem Schlauchbo­ot sitzen 120 Personen, es sind also 120 Menschen abgängig.“

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Foto: Danilo Campailla Der Landsberge­r Claus Peter Reisch (Mitte) ist Kapitän des Flüchtling­sschiffs.
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Foto: Hermine Poschmann/dpa Das Flüchtling­sschiff „Lifeline“kreuzt vor Malta und darf dort keinen Hafen ansteuern.

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