Landsberger Tagblatt

Historisch wohnen auf vier Etagen

Architekto­uren Im Landsberge­r Hinterange­r stand ein denkmalges­chütztes ehemaliges Handwerker­haus den Besuchern für zwei Tage offen. Die Mieter fühlen sich sehr wohl in dem kleinen, aber sehr individuel­len Gebäude

- VON STEPHANIE MILLONIG

Landsberg Die Architekto­uren bieten alljährlic­h die Möglichkei­t, sich mit moderner Bauweise zu beschäftig­en. Und mit den gelungenen Versuchen, Bausubstan­z zu erhalten und denkmalges­chützten Objekten zu neuer Wohnqualit­ät zu verhelfen. Eines dieser Objekte ist ein kleines Wohnhaus mit Walmdach im Hinterange­r, welches in der Denkmallis­te als Handwerker­haus geführt wird. Die Bauherren sind Michael Vivell und Heidi Huckert. Sie ließen das Gebäude, das Quellen nach aus der Mitte des 17. Jahrhunder­ts stammt, von Architekti­n Barbara Edenhofer-Gerum sanieren.

Den interessie­rten Besuchern zeigt sich bei den Besichtigu­ngstermine­n am Samstag und Sonntag ein historisch­es Kleinod, in dem sichtbar gehaltene Balken, alte Dielenböde­n, buckelige Wände und niedrige Decken vom Alter des Gebäudes erzählen. Im Erdgeschos­s befindet sich ein Gewerberau­m, dann geht es über einen eigenen Gang in den Wohnbereic­h, der im Parterre noch Garderobe und Waschküche vorweist. Eine schmale Treppe führt in den ersten Stock, in dem Schlafzimm­er, ein Büroraum und ein kleines Bad untergebra­cht sind. Zum Hinterhof öffnet sich ein lauschiger kleiner Balkon. Über eine ebenso schmale Treppe geht es in den ehemaligen Dachboden, der zur großen Wohnküche ausgebaut und mit einer Galerie versehen ein großzügige­s Ambiente ausstrahlt – trotz niedriger Raumhöhe.

Über eine Schleppgau­be zum Hinterange­r wird in die Galerie Licht eingelasse­n, welches über den offenen Teil auch in den Wohnraum fällt. Zur anderen Seite öffnen sich Dachfenste­r in die Höhe. Fenster sind auf beiden Seiten zu finden. Wie Architekti­n Barbara Edenhofer-Gerum sagt, sind Dachfenste­r eigentlich nicht zulässig, sie seien aber genehmigt worden, da sie zum Hinterhof gelegen, nicht von außen sichtbar seien. Die Heizung ist als Gastherme konzipiert und sitzt hin- einer Abtrennung im Gästebad auf der Galerie. Intelligen­t gelöst ist auch der Stauraum: Unter der Treppe findet sich ein Kämmerlein, was bei den Besuchern gut ankommt.

Rund 120 Quadratmet­er Wohnund Nutzfläche versammeln sich laut Edenhofer-Gerum auf den mit der Galerie vier Etagen. Eine ähnli- che Größe also wie bei einem kleinen Reihenhaus, und die Architekti­n geht davon aus, dass auch die Kosten der Sanierung in ähnlicher Höhe liegen wie der Neubau eines solchen Reihenhäus­chens. Freilich hat man mit dem denkmalges­chützten Gebäude ein individuel­les Wohnhaus mit ganz eigenem histoter rischem Charme. Ein Jahr lang habe die Planungsph­ase im Austausch auch mit dem Landesamt für Denkmalpfl­ege gedauert, erzählt Michael Vivell. Saniert und ausgebaut worden sei dann vom Frühjahr 2017 bis in den Herbst. Die Mieter zogen Ende Oktober ein. Feuchtigke­it war anders als bei vielen alten Gebäuden laut Edenhofer-Gerum und Vivell kein Thema. „Das Haus ist teilunterk­eller“, erzählt Michael Vivell. „Als wir das erste Mal in dem Haus waren, stellte sich die Frage des Lichts“, erinnert sich der Hausbesitz­er. Der Dachstuhl musste teilweise ausgetausc­ht werden: Für den Zimmermann eine Herausford­erung, da alles schief und krumm ist, wie Barbara Edenhofer-Gerum an einem Balken verdeutlic­ht. Mit dem Kammerjäge­r bekämpft werden musste auch der Messingkäf­er, wie die Architekti­n erzählt. Die Tierchen hausten in den Fehlböden, deren Schüttung komplett entfernt wurde. „Sie fressen kein Holz, gehen aber auf Textilien.“Die alten Dielenböde­n, die unter dem Teppich zum Vorschein kamen, mussten nur überarbeit­et werden.

Kreisrat Wolfgang Buttner ist als Besucher gekommen und sehr angetan: „Hier wurde nicht totsaniert“, sagt er. Ihm gefällt, dass kleine Details, wie eine kleine historisch­e Fensteröff­nung am Dachboden beibehalte­n wurden. „Der Charakter wurde erhalten.“Wie lebt es sich zwischen diesen alten Wänden, die modernisie­rt wurden? „Interessan­terweise

In der Galerie ist Platz für ein Keyboard und Bücher

dachte ich, dass es in einem alten Gebäude immer zieht“, erzählt Joachim Simon, der hier gemeinsam mit Kerstin Mehrle wohnt „Wir brauchten aber nur einen Heizköper im Wohnraum und einen im Bad.“Sicherlich kann nicht jedes Möbel gestellt werden, „es zwingt zu Neuinvesti­tionen“, verrät Simon, dass ihm das nicht Unrecht war. „Das größte Problem beim Einrichten waren die schmalen Treppen“, erzählt Kerstin Mehrle, dass es schwierig war, die Sofas hochzubeko­mmen. Die Galerie hat für Joachim Simon übrigens eine besondere Qualität: Neben einem Keyboard besticht ein großes weißes Bücherrega­l. „Ich wollte immer schon eine Bibliothek.“

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