Historisch wohnen auf vier Etagen
Architektouren Im Landsberger Hinteranger stand ein denkmalgeschütztes ehemaliges Handwerkerhaus den Besuchern für zwei Tage offen. Die Mieter fühlen sich sehr wohl in dem kleinen, aber sehr individuellen Gebäude
Landsberg Die Architektouren bieten alljährlich die Möglichkeit, sich mit moderner Bauweise zu beschäftigen. Und mit den gelungenen Versuchen, Bausubstanz zu erhalten und denkmalgeschützten Objekten zu neuer Wohnqualität zu verhelfen. Eines dieser Objekte ist ein kleines Wohnhaus mit Walmdach im Hinteranger, welches in der Denkmalliste als Handwerkerhaus geführt wird. Die Bauherren sind Michael Vivell und Heidi Huckert. Sie ließen das Gebäude, das Quellen nach aus der Mitte des 17. Jahrhunderts stammt, von Architektin Barbara Edenhofer-Gerum sanieren.
Den interessierten Besuchern zeigt sich bei den Besichtigungsterminen am Samstag und Sonntag ein historisches Kleinod, in dem sichtbar gehaltene Balken, alte Dielenböden, buckelige Wände und niedrige Decken vom Alter des Gebäudes erzählen. Im Erdgeschoss befindet sich ein Gewerberaum, dann geht es über einen eigenen Gang in den Wohnbereich, der im Parterre noch Garderobe und Waschküche vorweist. Eine schmale Treppe führt in den ersten Stock, in dem Schlafzimmer, ein Büroraum und ein kleines Bad untergebracht sind. Zum Hinterhof öffnet sich ein lauschiger kleiner Balkon. Über eine ebenso schmale Treppe geht es in den ehemaligen Dachboden, der zur großen Wohnküche ausgebaut und mit einer Galerie versehen ein großzügiges Ambiente ausstrahlt – trotz niedriger Raumhöhe.
Über eine Schleppgaube zum Hinteranger wird in die Galerie Licht eingelassen, welches über den offenen Teil auch in den Wohnraum fällt. Zur anderen Seite öffnen sich Dachfenster in die Höhe. Fenster sind auf beiden Seiten zu finden. Wie Architektin Barbara Edenhofer-Gerum sagt, sind Dachfenster eigentlich nicht zulässig, sie seien aber genehmigt worden, da sie zum Hinterhof gelegen, nicht von außen sichtbar seien. Die Heizung ist als Gastherme konzipiert und sitzt hin- einer Abtrennung im Gästebad auf der Galerie. Intelligent gelöst ist auch der Stauraum: Unter der Treppe findet sich ein Kämmerlein, was bei den Besuchern gut ankommt.
Rund 120 Quadratmeter Wohnund Nutzfläche versammeln sich laut Edenhofer-Gerum auf den mit der Galerie vier Etagen. Eine ähnli- che Größe also wie bei einem kleinen Reihenhaus, und die Architektin geht davon aus, dass auch die Kosten der Sanierung in ähnlicher Höhe liegen wie der Neubau eines solchen Reihenhäuschens. Freilich hat man mit dem denkmalgeschützten Gebäude ein individuelles Wohnhaus mit ganz eigenem histoter rischem Charme. Ein Jahr lang habe die Planungsphase im Austausch auch mit dem Landesamt für Denkmalpflege gedauert, erzählt Michael Vivell. Saniert und ausgebaut worden sei dann vom Frühjahr 2017 bis in den Herbst. Die Mieter zogen Ende Oktober ein. Feuchtigkeit war anders als bei vielen alten Gebäuden laut Edenhofer-Gerum und Vivell kein Thema. „Das Haus ist teilunterkeller“, erzählt Michael Vivell. „Als wir das erste Mal in dem Haus waren, stellte sich die Frage des Lichts“, erinnert sich der Hausbesitzer. Der Dachstuhl musste teilweise ausgetauscht werden: Für den Zimmermann eine Herausforderung, da alles schief und krumm ist, wie Barbara Edenhofer-Gerum an einem Balken verdeutlicht. Mit dem Kammerjäger bekämpft werden musste auch der Messingkäfer, wie die Architektin erzählt. Die Tierchen hausten in den Fehlböden, deren Schüttung komplett entfernt wurde. „Sie fressen kein Holz, gehen aber auf Textilien.“Die alten Dielenböden, die unter dem Teppich zum Vorschein kamen, mussten nur überarbeitet werden.
Kreisrat Wolfgang Buttner ist als Besucher gekommen und sehr angetan: „Hier wurde nicht totsaniert“, sagt er. Ihm gefällt, dass kleine Details, wie eine kleine historische Fensteröffnung am Dachboden beibehalten wurden. „Der Charakter wurde erhalten.“Wie lebt es sich zwischen diesen alten Wänden, die modernisiert wurden? „Interessanterweise
In der Galerie ist Platz für ein Keyboard und Bücher
dachte ich, dass es in einem alten Gebäude immer zieht“, erzählt Joachim Simon, der hier gemeinsam mit Kerstin Mehrle wohnt „Wir brauchten aber nur einen Heizköper im Wohnraum und einen im Bad.“Sicherlich kann nicht jedes Möbel gestellt werden, „es zwingt zu Neuinvestitionen“, verrät Simon, dass ihm das nicht Unrecht war. „Das größte Problem beim Einrichten waren die schmalen Treppen“, erzählt Kerstin Mehrle, dass es schwierig war, die Sofas hochzubekommen. Die Galerie hat für Joachim Simon übrigens eine besondere Qualität: Neben einem Keyboard besticht ein großes weißes Bücherregal. „Ich wollte immer schon eine Bibliothek.“