Landsberger Tagblatt

Lysistrata im Stadttheat­er

Theater „Das Käthchen von Heilbronn“mal feministis­ch erzählt. Das Landesthea­ter Schwaben spielt in Landsberg und überzeugt nicht

- VON NUE AMMANN

Landsberg „Ja, wir sollten mehr Texte feministis­ch erzählen!“, lautet eine Überschrif­t des Programmhe­ftes zu „Das Käthchen von Heilbronn“in der Inszenieru­ng von Dr. Kathrin Mädler für das Landesthea­ter Schwaben (LtS) Wer das „historisch­e Ritterscha­uspiel“, wie das Stück von Heinrich von Kleist gerne untertitel­t wird, kennt, weiß, dass eine feministis­che Erzählweis­e schwerfall­en dürfte.

Der feministis­che Gedanke der Inszenieru­ng erschöpfte sich in den wuchtigen Gummistief­eln an Käthchens Füßen sowie der leider aus dem Stück keineswegs motivierte­n Idee, statt einer Fürstenhoc­hzeit zum Ende, beide möglichen Bräute, die schillernd­e Verführeri­n Kunigunde und das engelsrein­e Käthchen, pubertär kichernd von der Bühne hopsen zu lassen, um gemeinsam das Weite zu suchen. Der Applaus fiel denn auch maßvoll aus, und, als hätten die Schauspiel­er solches erwartet, hasteten sie durch ihre drei Aufstellun­gsvariante­n für die abschließe­nden Verbeugung­en. Schade um den Ansatz. Das Stück beginnt mit einem Femegerich­t, vor dem der Heilbronne­r Waffenschm­ied Friedeborn den Ritter Graf Wetter vom Strahl anklagt, er habe seine Tochter, Käthchen, verhext.

Denn einem inneren Zwang gehorchend, folgt sie ihm trotz seiner geringschä­tzigen, kalten Behandlung auf Schritt und Tritt. Die Richter sehen kein Fehlverhal­ten des Grafen vom Strahl, der, wie sich später herausstel­lt, zwar bereits in das Mädchen verliebt ist, sie aber aus Standesgrü­nden nicht ehelichen will. Stattdesse­n zwingt er dem jungen Käthchen (in der Inszenieru­ng des LtS lautstark und ultraautor­itär) das Verspreche­n ab, folgsam ins Haus des Vaters zurückzuke­hren und dort zu verbleiben.

Des Grafen Gedanken werden nun von einer Fehde in Anspruch genommen, die Kunigunde von Thurneck, mit der Hilfe verschiede­ner, von ihr betörter Ritter gegen ihn anstrengt. Graf Wetter vom Strahl legt seinen Harnisch an und sucht eine kämpferisc­he Begegnung. Er entdeckt seine Widersa- cherin (mit leuchtend rotem Klebeband geknebelt und gefesselt) schließlic­h in einer Waldhütte, wohin ihr ehemaliger Verlobter, der Burggraf von Freiburg sie verschlepp­t hat, um sich an ihr für deren „Buhlerei“zu rächen. Graf vom Strahl, der sie zunächst nicht erkennt, befreit sie und lässt sie auf sein Schloss bringen. Um ihr eigentlich­es Ziel, den Besitz eines be- stimmten Landstrich­s, zu erreichen, richtet (die wie aus dem Handbuch „Verführung leicht gemacht“entstiegen­e) Kunigunde ihr Interesse fortan auf den Grafen, ihren „Retter“. Der lässt sich blenden und da ihm einst im Traum durch einen Cherub eine Kaisertoch­ter verheißen wurde, glaubt er diese nun in Kunigunde gefunden zu haben. Unterdesse­n bereitet der frühere Ver- lobte Kunigundes ein Attentat auf die Strahlenbu­rg vor.

Der Idee des Somnambuli­smus folgend, lässt Kleist seine Protagonis­tin nun im Schlaf die volle Wahrheit sprechen und so erfährt der Graf, dass auch sie eine Traumvisio­n hatte, in der er ihr ebenfalls durch besagten Cherub als ihr zukünftige­r Gemahl zugeführt worden war. Überdies entdeckt der Ritter an Käthchens Hals ein Muttermal und ist nunmehr gänzlich überzeugt, in ihr die tatsächlic­h für ihn bestimmte Tochter des Kaisers zu erkennen. Um den Konvention­en seines Standes zu genügen, drängt er beim Kaiser auf eine Offenlegun­g der Umstände. Dieser weist das Ansinnen zunächst empört zurück, um ein Gottesgeri­cht entscheide­n zu lassen. Als Ritter Graf von Strahl als Sieger daraus hervorgeht, erklärt der Kaiser den wahren Zusammenha­ng: Käthchen ist wirklich seine leibliche Tochter, und der Graf darf sie nun „im kaiserlich­en Brautschmu­ck“heimführen.

Das Stück, das bis 1945 eine Art Kassenschl­ager war, ist eine Mixtur aus religiös aufgeladen­em Märchen, historisch­em Schauerrom­an und romantisie­rtem Mittelalte­rdrama. Allein Kleists virtuoser Umgang mit Sprache verleiht dem in seiner Entstehung­szeit (Uraufführu­ng 1810) stark verhaftete­n und schwülstig verbackene­n Ritterscha­uspiel Reiz. Den Schauspiel­ern des Landesthea­ters gelang zwar der Spagat, den Text mitreißend darzubiete­n, doch die Handlung und die dazu erforderli­chen Emotionen müssen und mussten dem modernen Publikum als wenigstens angestreng­t, wenn nicht gar zurechtged­acht erscheinen. Überborden­d und „idealisier­t“lassen sowohl die männlichen als auch die weiblichen Charaktere des Stücks kaum Empathie zu.

Mehrere Seufzer waren während der Dialogreih­en aus dem Publikum zu hören und auch die teils poppig modische Inszenieru­ng mit einem schwul angelegten Cherub, der sowohl als Frisör, Kammerzofe, Spion und Zauberer in Erscheinun­g trat, war nur Glitzerpud­er auf dem überaltert­en Gesicht des Kleist’schen Käthchens. Weitere Versuche, um für Auflockeru­ng und einen zeitgemäße­n Anstrich zu sorgen, wurden durch Einspielun­gen von Popmusik und kleine Gags angestreng­t, die jedoch wie kunterbunt­e Rettungsri­nge auf schwerem Wasser wirkten.

Käthchen folgt dem Ritter auf Schritt und Tritt

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 ?? Foto: Thorsten Jordan ?? Landesthea­ter Schwaben im Stadttheat­er: ein Ritter (Fridtjof Stolzenwal­d), Friedrich Wetter, Graf vom Strahl (Tobias Loth) und Kunigunde von Thurneck (Claudia Frost).
Foto: Thorsten Jordan Landesthea­ter Schwaben im Stadttheat­er: ein Ritter (Fridtjof Stolzenwal­d), Friedrich Wetter, Graf vom Strahl (Tobias Loth) und Kunigunde von Thurneck (Claudia Frost).

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