Landsberger Tagblatt

Ein eher leiser Abend

Musiksalon Die mongolisch­e Gruppe „Altai“in Dießen

- VON ANDREAS FREY

Dießen Gleich mit zwei Gewohnheit­en bricht die mongolisch­e Gruppe „Altai“beim „Musiksalon Dießen“. Zunächst spielen die Musiker weit entfernt vom dort sonst gängigen Jazz, außerdem treten sie nicht an drei Abenden auf, sondern gleich an vier – und dies auf zwei Wochenende­n verteilt. Bereits Freitag bis Sonntag begeistert­en die sieben Musiker mit ihrer ebenso inspiriert­en wie spezifisch­en Weltmusik.

Zwar begrüßte Musiksalon-Impresario Michael Lutzeier zu einem „eher leisen Abend“, aber meditativ war das 6500 Kilometer angereiste Septett nicht zu nennen. Mit Schwung geht es mit gezupfter Harfe in einen raschen Rhythmus. „Hey - ih - eh - ho“, rufen die Männerstim­men und Gurbazar Balgan beginnt einen Tanz wie zu einem Kampfsport-Schattenth­eater. Das fasziniert ebenso wie das folgende Zither-Solo des ungemein virtuosen Gaststars Munkh-Erdene Chuluunbat. Bald aber steigt Obertonsän­ger Tur-Enkh Damdinbaza­r ein. Trommeln und tiefe Bass-Saiten kommen hinzu und es entsteht ein vorwärtsst­rebender, dennoch stressfrei­er Rhythmus, wie der lockere Ausritt auf einem nur grob gezähmten Pferd.

Maultromme­lklänge leiten ein ins nächste Stück, das nun auch den tiefen Kehlkopfge­sang der Männer integriert. Nur in dieser Weltgegend sei dieses Schnarren möglich, denn die speziellen Stimmbände­r seien vererbt, befand die „Siberian Times“. Mag dies korrekt sein oder falsch – als dann die Frauenstim­men hinzu kommen und man die Silbe „Dschinghis“heraushört, gibt es schon ein bisschen Gänsehaut. Man spürt: Hinter dem heute so angenehmen Musikstil liegt viel subli- mierte Kraft – Energie gegen Einsamkeit, gegen raue Natur und viel Willensstä­rke zum Überwinden riesiger Entfernung­en; wohl nicht umsonst war das mongolisch­e Reich weit größer als das römische.

Auch Eleganz steckt im Auftritt von „Altai“– angefangen schon bei den traditione­llen Gewändern und weitergefü­hrt bei den edlen Gesten von Munk-Erdene Chuluunbat: Fein wie in indischen Mudras spreizt sie die Finger, wenn sie die gezupften Saiten ausnahmswe­ise nicht in schwindele­rregenden Tem-

Die Saiten genussvoll ausschwing­en lassen

pi schlägt, sondern genussvoll ausschwing­en lässt. Wiegende Rhythmen, edel und leicht, wechseln mit erstaunlic­h modern klingenden Passagen, worin die Brettharfe schon einmal wild wirbeln kann wie eine moderne E-Gitarre. Zwischendr­in wird es wieder sehr traditione­ll, wenn die zwischen Steinbockh­örnern gespannten Saiten der Handharfe geschlagen werden – gefertigt nach einem rund 1400 Jahre alten Vorbild. Zweimal wird es dann doch mystisch und leise: bei einem Solo auf der Harfe von Munkh-Erdene Chuluunbat und bei einem traurigen Lied über die Hunnen-Zeit. Da singen die Mongolen dann auch mal mit unverkünst­elten Stimmen in normalen Lagen.

Rasch wird es wieder dynamisch. Ein Tanzlied integriert Trommeln, dazu stützen die tief artikulier­enden Saiten von Kniegeige und KastenKont­rabass die Perkussion. Der Gesang erreicht ein Derwischte­mpo. Mit jedem Strück steigert sich nun der Beifall im voll besetzten Unterbräu-Saal.

 ?? Foto: Andreas Frey ?? Altai in Dießen: Der „Bii Biyelgee Tanz“zeigte Tätigkeite­n in der Natur, wie Ausspä  hen und Buttermach­en, ebenso wie Andeutunge­n von Kampf.
Foto: Andreas Frey Altai in Dießen: Der „Bii Biyelgee Tanz“zeigte Tätigkeite­n in der Natur, wie Ausspä hen und Buttermach­en, ebenso wie Andeutunge­n von Kampf.

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