Ein eher leiser Abend
Musiksalon Die mongolische Gruppe „Altai“in Dießen
Dießen Gleich mit zwei Gewohnheiten bricht die mongolische Gruppe „Altai“beim „Musiksalon Dießen“. Zunächst spielen die Musiker weit entfernt vom dort sonst gängigen Jazz, außerdem treten sie nicht an drei Abenden auf, sondern gleich an vier – und dies auf zwei Wochenenden verteilt. Bereits Freitag bis Sonntag begeisterten die sieben Musiker mit ihrer ebenso inspirierten wie spezifischen Weltmusik.
Zwar begrüßte Musiksalon-Impresario Michael Lutzeier zu einem „eher leisen Abend“, aber meditativ war das 6500 Kilometer angereiste Septett nicht zu nennen. Mit Schwung geht es mit gezupfter Harfe in einen raschen Rhythmus. „Hey - ih - eh - ho“, rufen die Männerstimmen und Gurbazar Balgan beginnt einen Tanz wie zu einem Kampfsport-Schattentheater. Das fasziniert ebenso wie das folgende Zither-Solo des ungemein virtuosen Gaststars Munkh-Erdene Chuluunbat. Bald aber steigt Obertonsänger Tur-Enkh Damdinbazar ein. Trommeln und tiefe Bass-Saiten kommen hinzu und es entsteht ein vorwärtsstrebender, dennoch stressfreier Rhythmus, wie der lockere Ausritt auf einem nur grob gezähmten Pferd.
Maultrommelklänge leiten ein ins nächste Stück, das nun auch den tiefen Kehlkopfgesang der Männer integriert. Nur in dieser Weltgegend sei dieses Schnarren möglich, denn die speziellen Stimmbänder seien vererbt, befand die „Siberian Times“. Mag dies korrekt sein oder falsch – als dann die Frauenstimmen hinzu kommen und man die Silbe „Dschinghis“heraushört, gibt es schon ein bisschen Gänsehaut. Man spürt: Hinter dem heute so angenehmen Musikstil liegt viel subli- mierte Kraft – Energie gegen Einsamkeit, gegen raue Natur und viel Willensstärke zum Überwinden riesiger Entfernungen; wohl nicht umsonst war das mongolische Reich weit größer als das römische.
Auch Eleganz steckt im Auftritt von „Altai“– angefangen schon bei den traditionellen Gewändern und weitergeführt bei den edlen Gesten von Munk-Erdene Chuluunbat: Fein wie in indischen Mudras spreizt sie die Finger, wenn sie die gezupften Saiten ausnahmsweise nicht in schwindelerregenden Tem-
Die Saiten genussvoll ausschwingen lassen
pi schlägt, sondern genussvoll ausschwingen lässt. Wiegende Rhythmen, edel und leicht, wechseln mit erstaunlich modern klingenden Passagen, worin die Brettharfe schon einmal wild wirbeln kann wie eine moderne E-Gitarre. Zwischendrin wird es wieder sehr traditionell, wenn die zwischen Steinbockhörnern gespannten Saiten der Handharfe geschlagen werden – gefertigt nach einem rund 1400 Jahre alten Vorbild. Zweimal wird es dann doch mystisch und leise: bei einem Solo auf der Harfe von Munkh-Erdene Chuluunbat und bei einem traurigen Lied über die Hunnen-Zeit. Da singen die Mongolen dann auch mal mit unverkünstelten Stimmen in normalen Lagen.
Rasch wird es wieder dynamisch. Ein Tanzlied integriert Trommeln, dazu stützen die tief artikulierenden Saiten von Kniegeige und KastenKontrabass die Perkussion. Der Gesang erreicht ein Derwischtempo. Mit jedem Strück steigert sich nun der Beifall im voll besetzten Unterbräu-Saal.