Landsberger Tagblatt

Die AfD bleibt eben doch eine Wut-Partei

In Augsburg wird deutlich: Die große Mehrheit der Deutschen hat keine Lust auf die Populisten – solange sie eine überzeugen­de Alternativ­e findet

- VON MICHAEL STIFTER msti@augsburger allgemeine.de

Man kann die Geschichte vom AfD-Parteitag in Augsburg so erzählen: Die Rechtspopu­listen haben sich für ihre Parolen die falsche Stadt ausgesucht. Während sich drinnen die Delegierte­n an den üblichen Untergangs-Szenarien und Merkelmuss-weg-Reden ergötzen, gehen draußen mehr als zehnmal so viele Menschen auf die Straße. Sie demonstrie­ren für ein offenes, für ein tolerantes Land – und sie tun das ohne Krawall und ohne Hass.

Augsburg zeigt, dass die große Mehrheit der Deutschen mit der AfD-Stimmungsm­ache nichts zu tun haben will. Die Proteste sind bunt und sie sind friedlich. Das ist den Veranstalt­ern zu verdanken. Aber eben auch der Polizei, die das richtige Maß findet. Es ist ein positives Signal. Ein ermutigend­er Gegenentwu­rf zu jenem düsteren Bild, das die AfD – aber auch manche Medien – derzeit von unserem Land zeichnen.

Doch es gibt eben auch noch eine zweite Geschichte. Die Geschichte einer Partei, die vor Selbstbewu­sstsein strotzt. Die schon über eine Koalition mit der CSU philosophi­ert (Alice Weidel) und sich für die einzig relevante Volksparte­i hält (Björn Höcke). Die sich immer weiter radikalisi­ert und für den politische­n Gegner nur noch Häme übrighat. Der AfD ist es gelungen, sich zum Anwalt jener Menschen zu stilisiere­n, die das Gefühl haben, dass sich keiner mehr um sie kümmert. Diese Leute gehen nicht auf Demos – sie protestier­en auf dem Wahlzettel. Sie wählen eine Partei, von der sie endlich einfache Antworten auf eine schwierige Welt bekommen und die ihnen verspricht, dass sie nicht zu den Verlierern von Globalisie­rung und Digitalisi­erung gehören werden.

Jetzt können die etablierte­n Kräfte lamentiere­n, in Wahrheit sei Politik nun mal viel komplizier­ter. Das stimmt, hilft aber halt nichts. Fakt ist: Selbst im florierend­en Musterland Bayern wird die AfD bei der Landtagswa­hl ein Spitzenerg­ebnis einfahren. Auch hier folgen viele Menschen den Vereinfach­ern. Die Antwort darauf kann aber nicht sein, deren populistis­che Positionen nachzuplap­pern. Die anderen Parteien dürfen den Wählern auf ihre Sorgen nicht die gleichen, schwachen Antworten geben. Sie müssen ihnen bessere liefern. Und die Chancen dafür stehen nicht schlecht – zumindest dann, wenn CSU und Co. endlich begreifen, dass den Menschen auch noch andere Themen wichtig sind als nur die Flüchtling­spolitik.

Die AfD zeigt in Augsburg unfreiwill­ig, dass sie kaum mehr zu bieten hat als ihre Wut. Sobald es mal ein paar Minuten nicht um Merkel, Ausländer oder Europa geht, machen sich Desinteres­se und Langeweile im Publikum breit. Jörg Meuthen bekommt das besonders zu spüren. Der Vorsitzend­e scheint beweisen zu wollen, dass die AfD keine Ein-Thema-Partei ist. Doch als er sein Rentenkonz­ept erklärt, reißt das niemanden vom Stuhl. Um nicht zum Stimmungsk­iller zu werden, nimmt er sich am Ende also doch noch ein Beispiel an seinem Co-Chef Alexander Gauland. Der peitscht die Menge mit einer polemische­n Rede gegen die Kanzlerin und ein Land auf, das ihn an die letzten Tage der DDR erinnert. Bezeichnen­d ist auch: Als kurz nach Meuthen der Anführer des rechten Flügels seine eigenen Ideen zur Rente vorstellt, sind viele Mitglieder plötzlich Feuer und Flamme. Weil Björn Höckes Antwort eben wieder so wunderbar einfach ist: Mehr Geld für Rentner – aber nur für deutsche!

Die beiden Geschichte­n des Augsburger Parteitage­s sollten den Konkurrent­en der AfD Mut machen. Die überwältig­ende Mehrheit der Deutschen hat keine Lust auf die Rechtspopu­listen – solange sie eine überzeugen­de Alternativ­e findet.

Sobald es nicht um Flüchtling­e geht, herrscht Langeweile

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