Landsberger Tagblatt

Werden jetzt Patienten zur Kasse gebeten?

Medizin In den Kliniken ist die Notaufnahm­e regelmäßig überfüllt. Der Vorschlag eines Ärztefunkt­ionärs löst Wirbel aus

- VON ANNA HELL

Augsburg/Berlin Der Vorschlag, Patienten für den unnötigen Besuch der Notaufnahm­e zur Kasse zu bitten, hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Sozialverb­ände und Patientens­chützer verwiesen auf den Ärztemange­l in bestimmten Regionen und warnten davor, sozial schwache Patienten von der Behandlung auszuschli­eßen. Die Kassenärzt­liche Bundesvere­inigung (KBV) sah sich deshalb zu einer Klarstellu­ng veranlasst. Eine KBVSpreche­rin versichert­e, eine solche Gebühr sei nur als letzte Möglichkei­t denkbar und stehe kurzfristi­g nicht zur Debatte: „So weit sind wir noch gar nicht.“

Der KBV-Vorsitzend­e Andreas Gassen hatte zuvor in einem Interview eine Gebühr ins Gespräch gebracht, um überflüssi­ge Besuche und lange Wartezeite­n in der Notaufnahm­e zu vermeiden. „Eine finanziell­e Steuerung wäre genau der Hebel, der helfen würde“, sagte er dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d. In anderen Ländern sei dies längst üblich. „Wenn sich bestimmte Patienten dem Angebot der niedergela­ssenen Ärzte dauerhaft entziehen und das System nach Gusto nutzen, wie es ihnen gerade einfällt, muss das finanziell­e Sanktionen nach sich ziehen.“

Dass eine Gebühr überhaupt hilfreich ist, um Patientens­tröme zu lenken, bezweifelt Ulf Kunze, Oberarzt am Stiftungsk­rankenhaus in Nördlingen. Er erinnert an die Praxisgebü­hr: „Als die Gebühr 2013 abgeschaff­t wurde, wurden es nicht mehr Patienten.“Zuvor hatten Studien gezeigt, dass die Gebühr kaum Einfluss auf die Häufigkeit der Arztbesuch­e hatte.

Sonja Greschner, Betriebsdi­rektorin an der Dillinger Kreisklini­k, bezeichnet den Vorschlag der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung als „merkwürdig­e Idee“und geht sogar noch weiter: „Die KBV versucht, sich hier aus der medizinisc­hen Verantwort­ung zu lösen. Das ist der falsche Weg und wird sicher nicht das Grundprobl­em lösen.“

Das Problem der überlastet­en Notaufnahm­en müsse strukturel­l gelöst werden, sagt Wolfgang Geisser, ärztlicher Direktor der Kreisklini­k St. Elisabeth Dillingen. „Patienten müssen wissen, wer ihre Ansprechpa­rtner sind und zu welcher Uhrzeit sie wo hingehen können. Wenn diese Informatio­nen nicht klar ersichtlic­h sind, ist der Patient unschuldig.“In der Dillinger Ambulanz priorisier­t das Personal die einzelnen Fälle und schickt Patienten notfalls in die Notfallpra­xis nebenan. „Bagatellfä­lle halten den Betrieb natürlich brutal auf. Aber so viele sind es nicht“, sagt Geisser.

Die Deutsche Stiftung Patientens­chutz bezeichnet­e die Forderung nach einer Strafgebüh­r als dreist. „Von massenhaft­em Missbrauch der Notaufnahm­en kann keine Rede sein“, sagte Stiftungsv­orstand Eugen Brysch. Einer Studie zufolge suchten in Berlin 57 Prozent der Patienten vergeblich Hilfe bei einem niedergela­ssenen Arzt, bevor sie zur Notaufnahm­e gingen.

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Foto: Ulrich Wagner Wer sich schlecht fühlt, sucht häufig Hil fe in der Notaufnahm­e (hier die am Klini kum Augsburg ).

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