Landsberger Tagblatt

Barley: Das Recht gilt auch für Sami A.

Konflikt Die Bundesjust­izminister­in von der SPD stellt sich im Fall des mutmaßlich­en Ex-Leibwächte­rs von Osama bin Laden einmal mehr gegen Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU). Was sie anders macht als Vorgänger Heiko Maas

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich, da duldet Katarina Barley nicht den Hauch eines Widerspruc­hs – alle, und dazu gehört eben auch ein mutmaßlich­er ehemaliger Leibwächte­r von Top-Terrorist Osama bin Laden. So mädchenhaf­t sanft und verbindlic­h die Bundesjust­izminister­in von der SPD manchmal wirken mag – im Fall des möglicherw­eise unrechtmäß­ig nach Tunesien abgeschobe­nen islamistis­chen Gefährders Sami A. vertritt sie jene kompromiss­lose Haltung, die sie in der noch jungen Bundesregi­erung längst zum Gegenpol von Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) gemacht hat.

Seehofer, der gelernte Verwaltung­sbeamte, bezeichnet sich selbst als „Erfahrungs­juristen“, entscheide­t gerne mal nach dem eigenen Rechtsempf­inden, manche sagen, aus dem Bauch heraus. Katarina Barley dagegen ist promoviert­e Volljurist­in, die vor ihrem Aufstieg in der Politik eine beachtlich­e Justizkarr­iere hingelegt hat. Sie kennt das deutsche Rechtssyst­em aus mehr als einer Perspektiv­e: Unter anderem arbeitete sie als Anwältin in einer Großkanzle­i, als wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin am Bundesverf­assungsger­icht, als Richterina­m Amtsgerich­t Wittlich und am Landgerich­t Trier.

Politik spielte für die Tochter eines britischen Redakteurs der Deutschen Welle und einer deutschen Ärztin lange eher eine Nebenrolle. Erst 2013 in den Bundestag eingezogen, wurde sie 2015 SPD-Generalsek­retärin. Legendär ist, dass der damalige Parteivors­itzende Sigmar Gabriel anfangs Probleme mit ihrem Namen hatte, etwas nuschelte, das wie „Karitta“klang, und den Nachnamen falsch betonte.

Doch Barley machte sich schnell einen Namen in der Politik und stellte klar, dass ihrer wie „Harley“oder „Marley“ausgesproc­hen wird. Und sie zog 2017 ins Kabinett ein. Als Manuela Schwesig Ministerpr­äsidentin von Mecklenbur­g-Vorpommern wurde, übernahm sie das Bundesfami­lienminist­erium, nach der Bundestags­wahl zusätzlich kommissari­sch das Arbeits- und Sozialmini­sterium von Andrea Nahles, die an die Spitze von Partei- und Fraktion rückte.

Nachdem die SPD nach großem Zaudern dann doch in eine weitere Große Koalition eingetrete­n war, galt Barley als Ministerin praktisch gesetzt. Viele hätten sich die Deutsch-Britin gut als Außenminis­terin vorstellen können. Die begeistert­e Europäerin erzählt gern, dass sie von ihrem kleinen Wohnort Schweich im Kreis Trier-Saarburg an einem Tag mit dem Rad vier Länder streifen kann, neben Deutschlan­d noch Luxemburg, Belgien und Frankreich. Und dass ihre beiden Söhne, weil ihr Ex-Mann niederländ­isch-spanischer Herkunft ist, Omas und Opas aus gleich vier verschiede­nen Ländern haben.

Trotz ihres internatio­nalen Hintergrun­ds: Außenminis­ter wurde Heiko Maas, und von ihm übernahm Barley das Justizress­ort, in dem sie sich von Anfang an zu Hause fühlte. Maas, der eine Vielzahl von Gesetzen produziert und sich dabei medienwirk­sam in Szene gesetzt hatte, sah sich eher als Partner denn als Gegenspiel­er des damaligen Innenminis­ters Thomas de Maizière (CDU). Seinen anfänglich­en Widerstand gegen die Vorratsdat­enspeicher­ung etwa gab er auf. Und gemeinsam mit dem Innenminis­ter verkündete er 2016: Kriminelle ohne deutschen Pass müssten künftig schneller ausgewiese­n werden können. Schon damals widersprac­hen Experten, dies sei in bestimmten Fällen gar nicht möglich, gerade wenn der Person im Zielstaat Folter oder unmenschli­che Behandlung

„Wer Rechtsmitt­el gegen staatliche Entscheidu­ngen ablehnt, legt damit die Axt an die Wurzel unseres Rechtsstaa­tes.“

Justizmini­sterin Katarina Barley (SPD)

drohe. Im Fall Sami A. treten die unterschie­dlichen Amtsauffas­sungen von Maas und Barley nun überdeutli­ch zutage.

Sami A., der mutmaßlich­e frühere Leibwächte­r von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden, war am Freitag in seine Heimat Tunesien abgeschobe­n worden. Dabei hatte das Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen dies am Vorabend untersagt, allerdings kam die Entscheidu­ng beim Bundesamt für Migration und Flüchtling­e erst an, als das Flugzeug mit Sami A. schon Richtung Tunis in der Luft war. Das Verwaltung­sgericht ordnete an, Sami A. sei nach Deutschlan­d zurückzuho­len. Die Abschiebun­g sei „grob rechtswidr­ig“und verletze „grundlegen­de rechtsstaa­tliche Prinzipien“, kritisiert­e das Gericht. An ihrer Rückendeck­ung für die Gelsenkirc­hener Richter lässt die Justizmini­sterin keinen Zweifel. „Was unabhängig­e Gerichte entscheide­n, muss gelten“, sagt Barley. Die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz sei nicht verhandelb­ar: „Wer Rechtsmitt­el gegen staatliche Entscheidu­ngen ablehnt, legt damit die Axt an die Wurzel unseres Rechtsstaa­tes.“

Spätestens seit die Debatte um Seehofers Masterplan Migration Fahrt aufgenomme­n hat, sieht Barley ihr Justizmini­sterium als „klassische­n Gegenpol“zum Innenminis­terium. Und im Fall Sami A., das macht sie klar, will sie keinen Zentimeter von ihrer Position abrücken.

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Foto: Ute Grabowski, photothek In Berlin ließen sich anfangs viele von der sanften Art der neuen Justizmini­sterin täu schen – doch sie kann auch kompromiss­los sein.
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Foto: dpa Flughafen Düsseldorf: Von dort wurde Sami A. abgeschobe­n.
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Foto: dpa Warnt vor tunesische­n Gefängniss­en: Rechtsanwä­ltin Basay Yildiz.
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Foto: dpa Der Terrorist Osama bin Laden soll Sami A. vertraut haben.

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