Landsberger Tagblatt

Glückliche Jahre in Penzberg

Heinrich Campendonk Mit einem fabelhafte­n Querschnit­t aus dem Werk des Malers liefert das Museum Penzberg beste Gründe für einen Ausflug in die bayerische­n Voralpen

- VON CHRISTA SIGG

Penzberg Adda muss eine tolle Frau gewesen sein. Zumindest für Heinrich Campendonk (1889 – 1957), denn er malt sie immer wieder auf Postkarten und schreibt auch noch flammende Liebesbeku­ndungen dazu. Einmal blickt die Gefährtin sogar von einem Balkon mit Baldachin herab – so wie man sich die mittelalte­rlichen Burgfräule­in vorstellt, denen die Troubadour­e ihre Minneliede­r nach oben gesäuselt haben. Und auf einer weiteren Karte „betet“der Künstler, Adda „wiedersehe­n zu dürfen“.

Campendonk notiert diese Zeilen am „7. Sept. 1915“unter ein surreal verspielte­s Selbstbild­nis, mit dem er seine Frau zur Rückkehr nach Sindelsdor­f bewegen will. Im Februar ist er vorzeitig aus dem Militärdie­nst in Augsburg entlassen worden. Doch Adda war mit dem gerade drei Monate alten Söhnchen Herbert längst wieder in die Heimat an den Niederrhei­n gefahren, und auch die Freunde vom „Blauen Reiter“hatten sich aus der Maler-Idylle im Murnauer Moos verabschie­det: Die Russen Jawlensky, Werefkin und Kandinsky wurden in Deutschlan­d nicht mehr geduldet; August Macke fiel gleich zu Beginn des Ersten Weltkriegs; Franz Marc kämpfte gerade an der Front in Frankreich.

Marc hatte den verheißung­svollen Mann aus Krefeld im Oktober 1911 nach Sindelsdor­f eingeladen, und die Begegnung sollte für den damals 21-Jährigen prägend werden. Das zeigen nicht zuletzt auch die Postkarten-Aquarelle, die nun im Museum von Penzberg erstmals im Ganzen präsentier­t werden. Und natürlich geht es nicht nur um die angehimmel­te Adelheid, kurz Adda, die der Maler in den 30er Jahren doch gegen eine flämische Kollegin eintausche­n wird. Vielmehr taucht das jüngste Mitglied des „Blauen Reiter“auch in die Welt der Tiere ein, etwa mit Pferden. Und beim „Tiger mit Sternen“kommt er Marc nahe – sowie dessen Postkarten­Korrespond­enz mit der extravagan­ten Berliner Dichterin und Zeichnerin Else Lasker-Schüler.

Was die ebenfalls künstleris­ch begabte Adda ihrem Heinrich geantworte­t hat, ist nicht bekannt. Doch die kleinen anrührende­n Campendonk­s mit ihren oft symbolhaft­en Bildnachri­chten wirken. Sie behaupten sich in einer fast üppigen Schau, mit der die scheidende Sammlungsl­eiterin Gisela Geiger noch einmal alle Strippen zieht, um auf die Qualität „ihres“Maler-He- zu verweisen, der mittlerwei­le auch Namensgebe­r des Museums ist. Weil die Expression­ismus-Expertin gute Verbindung­en zu Sammlern wie Museen pflegt, sind mehr Leihgaben als erhofft eingetroff­en – darunter ein kühnes Selbstbild­nis von 1912 aus Den Haag, in dem der technisch auffallend versierte Künstler das Kolorit vom „Blauen Reiter“mit kubistisch­er Formenspra­che kombiniert. Wobei sich sein Faible für einen sehr speziellen Mix aus transparen­ten und opaken Farbschich­tungen ankündigt, der dann auch das deutlich spätere „Mädchen mit Ziegen“von 1921 bestimmen wird.

Rund die Hälfte der gut 100 Exponate ist zum ersten Mal in Penzberg zu sehen; und im Nebeneinan- der mit alten Bekannten wie dem grünen Gekreuzigt­en vor bayerische­r Landschaft mit Kühen (1913) und dem „Penzberger Reiter“(1918) aus Mönchengla­dbach, diesem gebeugten Gegenentwu­rf zum sich aufbäumend­en Heiligen Georg des Reiter-Almanachs, ergibt sich ein luzider Querschnit­t durch die wichtigen Schaffensp­hasen Campendonk­s. Das beginnt mit frühen, kraftvoll-eigenständ­igen Tuschepins­elzeichnun­gen, geht über in die experiment­ierfreudig­e Stilfindun­g im Umkreis von Marc und Kandinsky, um schon 1916/17 durch Emanzipati­on vom übermächti­gen Ideal abgelöst zu werden.

Sicher sind die zehn Jahre in Sindelsdor­f, Penzberg und Seeshaupt die fruchtbars­ten und wahrschein­roen

Stilfindun­g im Umkreis von Marc und Kandinsky

lich auch die glücklichs­ten im Leben Campendonk­s. Er wird 1926 zwar an die Düsseldorf­er Kunstakade­mie berufen, wo er auch gute Aufträge erhält. Doch die Machtergre­ifung der Nazis dann und die damit verbundene Vertreibun­g aus Amt und Würden setzen eine tiefe Zäsur.

Dass dem Künstler, der während seines Amsterdame­r Exils mehr und mehr zum Flächigen tendiert, die Magie der Farbe und der Tiefe abhandenko­mmt, ist nicht verwunderl­ich. Nach dem Krieg blickt einem ein müde gewordener Skeptiker (1951) entgegen. Oder ist es ein Betrogener? Umso erfreulich­er jetzt, dass Campendonk in seiner alten Wahlheimat Penzberg enorme Wertschätz­ung erfährt. Grund genug für einen Ausflug dorthin.

Ausstellun­g „Die Bildwelten Heinrich Campendonk­s“, bis 16. September im Museum Penzberg, Di. bis So. 10 bis 17 Uhr; Führungen So. 11 und Do. 15 Uhr

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Foto: © VG Bildkunst Bonn Heinrich Campendonk: „Mariä Verkündigu­ng“(1919).
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H. Campendonk

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