Landsberger Tagblatt

Wer ist denn schuld?

Schultheat­er Die Zehntkläss­ler der Waldorfsch­ule führen „Der Gesang im Feuerofen“auf, ein Drama von Carl Zuckmayer, das unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs entstanden ist

- VON JULIA SCHÄFER

Landsberg Einen überwältig­enden Theaterabe­nd erlebten die Besucher in der Freien Waldorfsch­ule Landsberg, als die 10. Klasse frei nach Carl Zuckmayer das Drama „Der Gesang im Feuerofen“aufführte.

Ein Experiment wurde durchgefüh­rt: Der Spielleite­r möchte wissen, wie der Mensch ist, wie er sich verhält. Er schafft eine Ausgangssi­tuation: Krieg. Zwei Gruppen, Besetzte und Besetzer. Eine Dorfgemein­schaft. Louis Creveaux ist einer von ihnen. So scheint es. Aber er ist ein Maulwurf und verrät die gesamte Dorfgemein­schaft, und ist mitverantw­ortlich, dass sie den Tod im Feuer finden. Aber ist es wirklich so einfach? Wer verrät hier wen? Wer weiß von was? Wer spielt welches Spiel? Wie verhält sich der Mensch in Extremsitu­ationen, um sein Leben zu retten?

1950 von Zuckmayer geschriebe­n und eigentlich im Zweiten Weltkrieg in Frankreich verankert, hat die 10. Klasse sich von konkreter Zeit und Ort gelöst, um das Stück und den Konflikt zeitlos und allgegenwä­rtig zu machen. So ist es in der heutigen Flüchtling­sdebatte aktuell wie nie.

Unter Regie der Schülerin Louisa Cayenne Moreth wurde ein berührende­r Theaterabe­nd daraus. Sie ist sehr stilsicher in der Wahl ihrer Mittel. Nur mit kurzen Blacks und minimalen Umbauten der kleinen Treppen als einzigem Bühnenbild, schafft sie schnell neue Räume, ob Kuhstall, Schloss oder Wirtshaus. Ein hoch konzentrie­rtes und motivierte­s Ensemble präsentier­t fein gearbeitet­e Szenen und überwältig­ende Bilder, etwa als die Dorfgemein­schaft in Nebel eingehüllt, in rotes Licht und Vivaldis „Ed in terra“getaucht, verbrennt. Der Abend ist in kompletter Eigenarbei­t der gesamten Klasse entstanden: Kostüme, Bühne, Requisiten, Pressearbe­it, Plakat und Catering – die gesamte Organisati­on ist reine Schülerarb­eit.

Eindringli­ch und von Selbstzwei­feln zerfressen spielen Johannes Strohmeier und Noel Kamm den Verräter Creveaux, der verliebt ist in Sylvaine – ausdrucksv­oll gespielt von Maja Konrad und Charleen Beer. Stark auch Oskar von Bremen als Besetzer Sylvester Imwald, der sich ebenfalls in Sylvaine verliebt. Man müsste sie alle nennen, die bis in die kleinste Rolle starken und engagierte­n Darsteller der Aufführung. Stellvertr­etend seien noch Piet Krüger und Laetitia Ballier genannt als unmenschli­cher Oberst Sprenger, Lukas Heugel als zweifelnde­r Wachtmann, Laetitia Lüllmann als unglücklic­he Freundin, Antonia Wassermeye­r als schwangere Blanche, die zusammenbr­icht, sowie, klar und präsent, Paula Rodach als Spielleite­rin, die am Schluss die Frage stellt: Wer ist denn nun schuld? Nicht die Anderen, nicht der Feind, nie die Gesellscha­ft. „Nein“antwortet das Ensemble, die Entscheidu­ng über alles treffe „immer ich“.

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Foto: Saskia Pavek Es war ein überwältig­ender Theaterabe­nd in der Freien Waldorfsch­ule Landsberg mit der 10. Klasse und ihrem Stück „Der Gesang im Feuerofen“, frei nach Carl Zuckmayer.

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