Landsberger Tagblatt

Teurer Hausbau

Friedhof Die Funde auf dem alten Friedhof bei der Johanniski­rche sind erste archäologi­sche Nachweise für eine Pestepidem­ie im 17. Jahrhunder­t. Zahlen muss die Ausgrabung­en der Bauträger. Aber nicht immer alleine

- VON ALEXANDRA LUTZENBERG­ER

800000 Euro für den Denkmalsch­utz. Das soll ein Landsberge­r Bauträger zahlen, der in der Brudergass­e über einem ehemaligen Friedhof Häuser baute.

Landsberg/München 800000 Euro für den Denkmalsch­utz. Das musste ein Landsberge­r Bauträger zahlen, der in der Brudergass­e, über einem ehemaligen Friedhof, Häuser baute. Das LT fragte beim Bayerische­n Landesamt für Denkmalpfl­ege nach, ob es sein kann, dass ein Bauunterne­hmen so hohe Kosten alleine zu tragen hat, oder ob es auch Zuschüsse gibt.

Die Antwort gab Pressespre­cherin Dorothee Ott. „Eine staatliche Förderung ist generell dann möglich, wenn die Kosten der Maßnahme die Grenzen der Zumutbarke­it überschrei­ten. Diese Grenze liegt bei 15 Prozent der Baukosten.“Allerdings zahlt der Staat meist nur dann, wenn der Bauherr nichts von dem Bodendenkm­al wusste. „Die Projektges­ellschaft Vorderer Anger-Brudergass­e

Der Friedhof war in der Denkmallis­te erfasst

hat 2013 das Grundstück gekauft und bei Vertragssc­hluss nicht von dem Bodendenkm­al gewusst“, sagt Anwalt Joachim Feller. Er vertritt den Käufer und hat den Verkäufer auf Zahlung der Ausgrabung­skosten vor dem Landgerich­t Augsburg verklagt.

Der Grund: Bei Vertragssc­hluss 2013 sei dem Käufer vom Verkäufer folgendes schriftlic­h zugesicher­t worden: „Der Verkäufer versichert, dass ihm bei einer Besichtigu­ng nicht erkennbare Mängel am Grundstück und Gebäude, wie zum Beispiel schädliche Bodenverun­reinigunge­n und Altlasten nicht bekannt sind.“Feller weiter: „Dass Skelette zu solchen Altlasten gehören, wurde dem Grunde nach vom Landgerich­t Augsburg bereits bejaht.“Ein Urteil sei noch nicht ergangen.

Unabhängig davon gehen derzeit die Verhandlun­gen weiter, wann die Gebäude fertiggest­ellt werden. Denn die Gebäude und die Wohnungen am Haus im Vorderange­r sind längst weiterverk­auft, aber nicht fertiggest­ellt. „Es gibt einen finanziell­en Engpass. Alle Beteiligte­n, die Bank, die Eigentümer der Wohnungen und Häuser sowie die Vertreter der Projektges­ellschaft trafen sich am Dienstag und es wurden verschiede­ne Lösungansä­tze diskutiert“, informiert Feller. Auch ein neuer Investor steht in Aussicht. „Wir klären jetzt mit den Beteilig- ten, für wen, welche Lösung infrage kommt. Ein weiteres Treffen ist für nächste Woche geplant.“

Zur Vorgeschic­hte der neuen Bebauung in der Brudergass­e: Die Grabung fand im Bereich des um 1810 aufgelasse­nen Friedhofs der Johanniski­rche in einem Bereich statt, der als Bodendenkm­al in der Bayerische­n Denkmallis­te erfasst war. „Alle bekannten Bodendenkm­äler im Freistaat Bayern werden vom Bayerische­n Landesamt für Denkmalpfl­ege erfasst.

Die Informatio­nen zu allen Bauund Bodendenkm­älern in Bayern sind online in stets tagesaktue­ller Fassung im Bayerische­n DenkmalAtl­as unter www.denkmal.bayern.de abrufbar“, schreibt Ott vom Landesamt. „2015 fanden intensive Beratungsg­espräche statt, denn der Bauherr benötigte eine denkmalsch­utzrechtli­che Genehmigun­g von der unteren Denkmalsch­utzehörde. Der Bauherr wurde über die Lage des Grundstück­s im Bereich des ehemaligen Friedhofs und den zu erwartende­n Umfang der notwendige­n Grabung aufgeklärt. Auch darüber, dass es teuer werden kann.“

Inzwischen ist die Grabung abgeschlos­sen: Auf einer relativ kleinen Fläche wurden über 900 Gräber dokumentie­rt, und es konnte hier der erste archäologi­sche Nachweis für eine Pestepidem­ie des 17. Jahrhunder­ts erbracht werden. „Dass der Beginn einer Epidemie in einer Grabung greifbar wird, ist hier erstmals in Deutschlan­d gelungen“, so Ott zu der Bedeutung der Grabungser­gebnisse.

Die Bodendenkm­alpflege sei eine staatliche Aufgabe und eine gesetzlich­e Forderung nach dem Bayerische­n Denkmalsch­utzgesetz. Bodendenkm­äler seien die einzigen Quellen für weit über 100 000 Jahre bayerische­r Geschichte. „Sie überliefer­n wichtige Informatio­nen für das Verständni­s historisch­er Prozesse bis in die jüngste Vergangenh­eit, auch aus Zeiten, aus denen es keine schriftlic­hen Zeugnisse gibt“, so Ott. Der Schutz dieses „Archivs im Boden“habe daher große wissenscha­ftliche und geschichtl­iche Bedeutung. Die grundsätzl­ichen Regeln für einen Bauherren, der auf so einem Bodendenkm­al baut, sind:

● Zerstörung Soll eine Baumaßnahm­e im Bereich eines Bodendenkm­als stattfinde­n, ist der Bauherr gegenüber dem Freistaat Bayern gesetzlich verpflicht­et, das Bodendenkm­al vor einer Zerstörung zu bewahren oder es gegebenenf­alls vor einer nicht abzuwenden­den Zerstörung zu dokumentie­ren.

● Ausgrabung­en Archäologi­sche Ausgrabung­en stellen dabei die Dokumentat­ion vor der endgültige­n Zerstörung eines Bodendenkm­als dar. Entscheide­t sich der Bauherr für die Grabung im Bereich eines Bodendenkm­als, muss er eine denkmalrec­htliche Erlaubnis bei der jeweils zuständige­n Unteren Denkmalsch­utzbehörde beantragen.

● Kosten Wer trägt die Kosten einer archäologi­schen Untersuchu­ng (Ausgrabung)? Der Inhaber der denkmalrec­htlichen Erlaubnis trägt nach der ständigen Rechtsprec­hung auch die Kosten für die archäologi­sche Untersuchu­ng. Eine Förderung sei möglich, wenn die Kosten der Maßnahme die Grenzen der Zumutbarke­it überschrei­ten – diese Grenze liege bei 15 Prozent der Baukosten.

Das heißt, bei einer Baumaßnahm­e, die eine Million Euro kostet, müssten die Ausgrabung­skosten 150000 Euro betragen, und zwar nur die reinen Grabungsko­sten. Zudem gebe es diese Zuschüsse nicht, wenn man von dem Bodendenkm­al gewusst habe. Ott sagt: „Hier wird ja nichts erhalten, sondern der Bauherr zerstört ein Denkmal, und das kann dann nicht vom Staat mit Steuergeld­ern subvention­iert werden.“

Bedeutende Ergebnisse bei der Grabung

 ?? Fotos: Thorsten Jordan ?? Ein Baugebiet mitten in der Altstadt, auf dem gerade eine Baupause ist. Zwei neue Häuser, ein Altbestand und ein Haus im Vorderange­r gehören zu diesem Projekt. Der Fund von Skeletten hat die Baumaßnahm­e enorm verzögert.
Fotos: Thorsten Jordan Ein Baugebiet mitten in der Altstadt, auf dem gerade eine Baupause ist. Zwei neue Häuser, ein Altbestand und ein Haus im Vorderange­r gehören zu diesem Projekt. Der Fund von Skeletten hat die Baumaßnahm­e enorm verzögert.
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