Landsberger Tagblatt

„Trump ist nicht der Nabel der Welt“

Welthandel I Der Streit zwischen den USA und der EU spitzt sich zu. Wirtschaft­skommissar Pierre Moscovici erklärt, warum Europa sich nicht abschotten darf und wie Politiker auf Populisten reagieren sollten

- Interview: Detlef Drewes

Der Handelsstr­eit zwischen den USA und China eskaliert. EU und Vereinigte Staaten drohen sich gegenseiti­g höhere Zölle an. Kann die europäisch­e Wirtschaft diese Krise überhaupt unbeschade­t überstehen?

Pierre Moscovici: Wir sollten einen kühlen Kopf bewahren. Die Auswirkung der bisher durchgefüh­rten protektion­istischen Maßnahmen ist bislang begrenzt. Aber es stimmt: Eine Eskalation – egal auf welcher Seite – hätte gravierend­e Folgen für die Wirtschaft, auch für die Finanzmärk­te. Darunter würden alle Seiten leiden. Deshalb brauchen wir einen Einstieg, um aus dieser Spirale aussteigen zu können, die am Ende die Weltwirtsc­haft beschädigt und alle mit nach unten reißt.

Wie sieht eine Lösung aus? Moscovici: Wir müssen das Welthandel­ssystem modernisie­ren. Ich sage: modernisie­ren. Das heißt nicht: zerstören. Darum wird es am kommenden auch der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) diese Woche zur Kenntnis genommen hat. Sie deuten darauf hin, dass das Wirtschaft­swachstum im Jahr 2018 schwächer ausfallen wird als noch vor wenigen Monaten erwartet. Das gilt übrigens auch für Frankreich.

Sie haben noch ein neues Sorgenkind: Italien. Die neue Regierung erwartet nicht weniger als einen Schuldensc­hnitt. Was sagen Sie dem italienisc­hen Finanzmini­ster denn? Moscovici: Italiens Situation kann mit der Griechenla­nds nicht verglichen werden. Das Land hat eine starke Wirtschaft – mit vielen Herausford­erungen, natürlich – und bleibt ein europäisch­es Schwergewi­cht. Die EU-Kommission beobachtet die Entwicklun­g. Die führenden Minister der Regierung haben sich verpflicht­et, die Schulden weiter abzubauen. Auf dieser Grundlage werden wir den Haushalt Italiens für das kommende Jahr bewerten.

„Die Pro Europäer müssen den Menschen Lösungen für ihre Probleme anbieten. Es ist Zeit, Europa zu retten.“

Sie haben also keine Angst vor einem Italo-Exit?

Moscovici: Das sind unsinnige Parolen. Italien hat seinen Platz in Europa und in der Euro-Zone.

2019 wird das EU-Parlament gewählt. Die Angst vor einem Erstarken der Populisten von links und rechts ist groß. Was hat die EU falsch gemacht? Moscovici: Auch wenn die Wirtschaft­skrise überwunden wurde und sogar die angespannt­e Lage auf dem Arbeitsmar­kt nachgelass­en hat, vermissen die Menschen Lösungen für anstehende Fragen. Es gibt in meiner französisc­hen Heimat und auch in Deutschlan­d Regionen, in denen sich die Bürger vergessen und übergangen fühlen. Hinzu kommt, dass wir die sozialen und gesellscha­ftlichen Herausford­erungen der Migrations­krise unterschät­zt haben. Es wird höchste Zeit, dass wir den Menschen zuhören und verstehen, welche Probleme sie belasten, um diese auch zu lösen. Es gibt eine existenzie­lle Krise in Europa und ich fürchte, dass wir ein Europäisch­es Parlament bekommen, das kaum arbeitsfäh­ig ist. Deshalb müssen die Pro-Europäer den Menschen Lösungen anbieten. Es ist Zeit, Europa zu retten.

Pierre Moscovici, 60, ist seit 2014 als Kommissar in der EU Kommis sion für Wirtschaft­s und Währungs fragen zuständig.

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Foto: dpa Pierre Moscovici ist als Kommissar in der Europäisch­en Kommission für Wirtschaft­s und Währungsfr­agen zuständig. Er sagt: „Wir richten unser Handeln nicht alleine nach den USA aus, sondern tun, was für die EU wichtig und richtig ist.

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