Kein Freispruch, aber weniger Strafe
Es bleibt bei einer Verurteilung eines 63-jährigen Ingenieurs wegen falscher Verdächtigung
Landsberg/Augsburg Nur noch 900 Euro Geldstrafe statt ursprünglich 2000 Euro: Ein Urteil, das die meisten Angeklagten, die je in Berufung gegangen sind, freuen dürfte. Ob das auch für einen 63-jährigen Ingenieur aus dem nördlichen Landkreis gilt? Er hatte eigentlich von dem Vorwurf, jemanden falsch verdächtigt zu haben, freigesprochen werden wollen.
Der Mann fühlt sich im Recht. So wie er es gesehen hat, müsse es gewesen sein. Wie sehr die Sichtweisen auseinandergehen, zeigt sich an einem Detail: Er sagt, er habe eine Polizistin gesehen, als er im Jahr 2011 von Beamten aus einer Sportgaststätte im nördlichen Landkreis verwiesen wurde. Ein Dutzend Zeugen inklusive zweier beteiligter Polizisten sagen etwas anderes, sie alle sprachen von zwei männlichen Beamten. Eine riesige Intrige?
Nachdem er im Jahr 2011 (unberechtigt, wie sich später herausstellte) vom Vereinsvorsitzenden und Gastwirt des Lokals verwiesen worden war, war der Angeklagte von der Polizei aus dem Saal gebracht worden. Dabei fiel er vom Stuhl auf den Boden, was der 63-Jährige rund drei Jahre nach dem Vorfall anzeigte. Die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die beiden Polizisten wurde eingestellt, aber gegen den Anzeigeerstatter wurde ein Verfahren wegen falscher Verdächtigung eröffnet. 2000 Euro Geldstrafe sollte er bezahlen. Dagegen legte er in zwei Instanzen Berufung ein.
In den vergangenen Wochen beschäftigte sich ein Berufungsgericht des Augsburger Landgerichts unter Vorsitz von Richterin Maiko Hartmann mit der Angelegenheit. Vorletzter Akt: Der Angeklagte erklärte sich vor der Richterin bereit, sich von einem Psychologen zusätzlich zur Begutachtung während der Verhandlung untersuchen zu lassen. Dazu kam es aber nicht, weil der 63-Jährige den Arzttermin verstreichen ließ, ohne zu erscheinen. Nicht erschienen ist er jetzt auch zur Urteilsverkündung, für diesen Termin hatte er das Attest eines anderen Arztes vorgelegt. Weil aber entsprechende Vollmachten der Verteidiger existieren, akzeptierte das Gericht und verhandelte ohne den Angeklagten zu Ende.
Neue gutachterliche Erkenntnisse, derentwegen der letzte Verhandlungstermin verschoben worden war, gab es somit nicht mehr. Der Gerichtsgutachter hatte dem Angeklagten eine „paranoide Persönlichkeitsakzentuierung“attestiert, hielt ihn aber für voll schuldfähig. Die Staatsanwaltschaft plädierte für eine Erhöhung der Geldbuße auf 2500 Euro. Die beiden Verteidiger Felix Dimpfl und Ulrich Swoboda forderten für ihren Mandanten hingegen einen Freispruch. Der Angeklagte habe niemanden bewusst falsch verdächtigt. Er glaube fest an das, was er berichte, gehe von einer riesigen Intrige gegen ihn aus. Der Paragraf 164 (Strafgesetzbuch) der falschen Verdächtigung, so Dimpfl, setze aber besseres Wissen voraus.
Richterin Hartmann sah gleichwohl Anhaltspunkte für eine falsche Verdächtigung gegeben. Dass sie in ihrem Urteil gegenüber jenem des Amtsgerichtes nach unten abwich, ist erklärt durch die lange Verfahrensdauer, die sich strafmildernd auswirkt.
Das Urteil wurde ohne den Angeklagten verkündet