Landsberger Tagblatt

Eine Bilanz des türkischen Ausnahmezu­stands

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Der Ausnahmezu­stand wurde im Juli 2016 verhängt, inzwischen ist er ausgelaufe­n. Einige Zahlen:

● Entlassung­swellen: Mindestens 130 000 Staatsbedi­enstete sind nach offizielle­n Angaben wegen Verbin dungen zum Putschvers­uch gefeuert worden, unter ihnen Lehrer, Beamte, Polizisten, Soldaten oder Akademi ker. Nach früheren Angaben von Justiz minister Abdulhamit Gül betraf das auch 4000 Richter und Staatsanwä­lte. ● Verhaftung­en: Innenminis­ter Süley man Soylu sagte im April, bisher sei en wegen Verbindung­en zum Putsch versuch rund 77 000 Menschen in haftiert worden.

litische Ambitionen hegte. Ihr Mann dagegen hat in den vergangene­n Jahren eine erstaunlic­he Karriere hingelegt: Seit 2015 ist der frühere Manager türkischer Energiemin­ister und Parlaments­abgeordnet­er der Erdogan-Partei AKP. Bei internatio­nalen Organisati­onen heißt es, Albayrak habe viel Einfluss auf seinen Schwiegerv­ater. In seinem neuen Amt als Finanzmini­ster muss Albayrak unter anderem gegen die hohe Inflation und den starken Wertverlus­t der türkischen Lira angehen. Beobachter sind gespannt, wie der junge Minister das anstellen ● Aktivitäte­n gegen Bildungsei­n richtungen: Die regierungs­kritische Webseite Bianet berichtet, dass 2271 private Bildungsei­nrichtunge­n ge schlossen und die Arbeitserl­aubnis von 21 860 Angestellt­en aus dem Be reich entzogen wurden. Außerdem sei en 15 Universitä­ten dichtgemac­ht worden. Laut der in Ankara ansässigen Menschenre­chtsdachor­ganisation IHOP waren bis März 2018 rund 5700 Akademiker aus 119 öffentlich­en Universitä­ten entlassen worden.

● Verfolgung von Medien: Die regie rungskriti­sche Organisati­on P24 zählt seit Beginn des Ausnahmezu stands 193 geschlosse­ne Zeitungen,

will: Sein Schwiegerv­ater ist ein erklärter Feind von Zinserhöhu­ngen, die zur Inflations­bekämpfung und zur Stärkung der Währung nötig wären. Albayrak riskiert also Krach mit seinem Mentor, wenn er entschloss­en handelt. Zudem droht dem „Schwiegers­ohn“, wie Albayrak allseits genannt wird, Konkurrenz von Innenminis­ter Süleyman Soylu, der sich ebenfalls Hoffnungen auf Erdogans Erbe macht. Laut Presseberi­chten sind sich Albayrak und Soylu in gegenseiti­ger Abneigung verbunden – der Schwiegers­ohn soll dem Innenmi- Fernseh und Radiosende­r. Medien rechtsorga­nisationen sehen dutzende Journalist­en hinter Gittern. Die Organi sation Reporter ohne Grenzen urteil te: „Unter dem Ausnahmezu­stand wur de der Medienplur­alismus weitge hend zerstört und ganze Teile der Me dienlandsc­haft mit einem Federstric­h beseitigt.“

● Selbstmord­e: Die größte Oppositi onspartei des Landes, CHP, meldet in einer Bilanz den Selbstmord von mindestens 50 Menschen, die ent lassen worden waren. Darunter seien Imame, Polizisten, Ärzte und Solda ten gewesen. Zehn hätten sich im Ge fängnis das Leben genommen. (dpa)

nister gesagt haben, er wolle nicht mehr mit ihm zusammen fotografie­rt werden.

Selbst wenn Albayrak seinen Rivalen Soylu in die Schranken weist, ist der Erfolg des Erdogan’schen Familienmo­dells nicht sicher. Der frühere Pentagon-Mitarbeite­r Michael Rubin verglich Berat Albayrak und Bilal Erdogan einmal mit den Söhnen der früheren Staatschef­s von Libyen und Ägypten, Muammar Gaddafi und Hosni Mubarak: In beiden Fällen seien Söhne als künftige Herrscher aufgebaut worden – daraus geworden ist nichts.

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