Gerettet! Ein Bild bewegt die Welt
Hintergrund Helfer ziehen eine junge Frau aus dem Meer. Schwere Vorwürfe gegen die libysche Küstenwacht
Madrid Mit weit aufgerissenen Augen schaut die Schiffbrüchige ihre Retter an, die sie in ein Schlauchboot ziehen. Im Gesicht der erschöpften Frau spiegelt sich Angst und Entsetzen. Sie kämpfte im Mittelmeer stundenlang um ihr Leben. An ein Stück Holz geklammert. Rund 150 Kilometer von der libyschen Küste entfernt. Neben ihr treiben im Wasser die Reste eines Gummibootes und zwei Leichen von afrikanischen Migranten. Bei den Toten, die ebenfalls geborgen wurden, handelt es sich um eine weitere Frau und ein kleines Kind.
Die dramatischen Bilder, welche die spanische Hilfsorganisation „Proactiva Open Arms“von dieser Rettungsaktion veröffentlichte, gehen um die Welt. Die Helfer auf dem Schiff „Open Arms“werfen der libyschen Küstenwache vor, dieser Frau und weiteren Migranten auf dem Meer nicht geholfen und sie kaltblütig ihrem Schicksal überlassen zu haben. Es ist ein schwerer Vorwurf, den Oscar Camps, der Gründer von „Proactiva Open Arms“, via Twitter erhob: „Die libysche Küstenwacht kündigte an, dass sie ein Boot mit 158 Menschen abgefangen und dass sie medizinische und humanitäre Hilfe geleistet habe. Was sie aber nicht sagte war, dass sie zwei Frauen und ein Kind auf diesem Boot ließen. Weil sie sich weigerten, die libyschen Patrouillenschiffe zu besteigen.“Der Vorwurf wird von libyscher Seite bestritten.
Die Anschuldigung ist auch deswegen brisant, weil die libysche Küstenwacht von der EU ausgebildet und ausgerüstet wurde, um die Migrationsroute Richtung Italien zu kappen. Der Auftrag lautet, Flüchtlingsschiffe zu stoppen und die Migranten an Libyens Küste zurückzubringen. Seit Jahresbeginn, so teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) jüngst mit, habe die libysche Küstenwacht bereits rund 10 000 Migranten im Meer aufgegriffen und zurücktransportiert.
Die IOM, welche in die Vereinten Nationen eingebunden ist, wies jüngst besorgt darauf hin, dass die von der Küstenwacht nach Libyen gebrachten Migranten in überfüllten Haftzentren landen, in denen erbärmliche Zustände herrschen. Flüchtlinge, die es von Libyen nach Europa schafften, berichten, dass in libyschen Lagern, in denen zurückgebrachte Flüchtlinge interniert werden, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und Sklaverei zum Alltag gehören.
Wohl deswegen flehte Josefa, wie die von der „Open Arms“geborgene Frau aus Kamerun heißt, die Retter zunächst immer wieder an: „Libyen nein, Libyen nein.“Inzwischen befindet sich die „Open Arms“auf dem Weg zur spanischen Mittelmeerinsel Mallorca. Die Inselregierung hat angeboten, der 40-jährigen Josefa eine neue Chance und Heimat zu bieten.