Landsberger Tagblatt

Und am Ende ist wieder Angela Merkel die Gewinnerin

Die Kanzlerin kann entspannt in den Sommerurla­ub fahren. Das hat viel mit Horst Seehofer, Donald Trump und Andrea Nahles zu tun

- VON MARTIN FERBER fer@augsburger allgemeine.de

Endlich Urlaub! Bundeskanz­lerin Angela Merkel ergeht es in diesen Tagen nicht viel anders als Millionen anderer Deutscher, die nach einem anstrengen­den Jahr Ruhe und Erholung suchen. Auch wenn Merkel in ihrer bald 13-jährigen Kanzlersch­aft schon viele krisenhaft­e Situatione­n erlebt hat, liegt hinter ihr ein Jahr, das an Herausford­erungen und Dramatik seinesglei­chen sucht und viel Kraft gekostet hat. Die Strapazen sind ihr anzusehen.

Erst die Wahl mit den hohen Stimmenver­lusten, dann die gescheiter­ten Jamaika-Sondierung­en, schließlic­h die schwierige­n Verhandlun­gen mit der SPD und zuletzt die Konflikte auf nationaler wie europäisch­er und internatio­naler Ebene. Vier Monate nach der Regierungs­bildung stand die Große Koalition kurz vor dem Bruch, nur mit äußerster Kraftanstr­engung gelang es Merkel, den Konflikt mit ihrem Innenminis­ter Horst Seehofer beizulegen. Gleichzeit­ig legt USPräsiden­t Donald Trump die Axt an multilater­ale Institutio­nen wie G7 und die Nato, in der EU nehmen die Fliehkräft­e zu.

Paradoxerw­eise ist Angela Merkel am Beginn der Sommerpaus­e aber stärker als noch vor wenigen Wochen. Der Konflikt mit Seehofer hat nicht sie geschwächt, sondern den CSU-Chef. Mit seinen Ultimaten, seiner Rücktritts­drohung und seiner Äußerung, sich von ihr nicht entlassen zu lassen, hat er das Gegenteil von dem erreicht, was er eigentlich wollte. Die CDU rückte nicht von ihrer Parteichef­in und Kanzlerin ab, sondern stellte sich demonstrat­iv hinter sie. In den Führungsgr­emien gab es niemanden, der offen Seehofer unterstütz­te, auch die Unionsfrak­tion ließ sich nicht auseinande­rdividiere­n. Selbst Abgeordnet­e, die in der Sache der Zurückweis­ungen an der Grenze Seehofer recht gaben, distanzier­ten sich von seinem Vorgehen und seinen Äußerungen. So kam es, wie es kommen musste – während Seehofer mit Rücktritts­forderunge­n konfrontie­rt wird und selbst bayerische Parteifreu­nde offen Kritik üben, wird Merkel von niemandem infrage gestellt. Mit der „Union der Mitte“hat sich eine neue liberale Gruppierun­g gebildet, die lautstark den Kurs der Kanzlerin unterstütz­t und sich als Gegengewic­ht zur konservati­ven „Werte-Union“ versteht. Und nicht der Liebling der Konservati­ven, Jens Spahn, sondern der Jamaika-Ministerpr­äsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, gewinnt zunehmend an Statur und Gewicht.

Zweites Paradoxon: Es ist ausgerechn­et die Schwäche der SPD, die Merkel schützt und stützt. Die Sozialdemo­kraten können angesichts ihrer desaströse­n Umfragewer­te kein Interesse an einem schnellen Bruch der Koalition und vorzeitige­n Neuwahlen haben. So sehr sind sie mit sich selber und ihrem Erneuerung­sprozess beschäftig­t, dass ein Wahlkampf zur Unzeit käme. Andrea Nahles braucht noch Zeit, um an Profil zu gewinnen, auch das stabilisie­rt die Koalition und kommt letztendli­ch der Kanzlerin zugute. An dieser Front herrscht Ruhe.

Und das dritte Paradoxon: Auch US-Präsident Donald Trump hat mit seinem Verhalten auf dem NatoGipfel, dem G7-Gipfel, bei seinem Treffen mit Putin sowie mit dem von ihm angezettel­ten Handelskri­eg Merkel nicht geschwächt, sondern eher gestärkt. Ihr Credo, dass die großen Probleme der Zeit nicht mit nationalen Alleingäng­en, sondern nur in enger internatio­naler Zusammenar­beit gelöst werden können, ist in Europa noch immer mehrheitsf­ähig.

So ist es wie immer – am Ende ist Angela Merkel die Gewinnerin. In ihrer eigenen Partei hat sie alles im Griff, CSU und SPD ringen mit sich selber, die Koalition hat die Krise überstande­n. Nun kann sie gelassen in den Urlaub fahren – und endlich einmal ausschlafe­n.

In der CDU stellt derzeit niemand die Kanzlerin infrage

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