Landsberger Tagblatt

Öffnet sich Bundeswehr für Ausländer?

Sicherheit Seit dem Ende der Wehrpflich­t gibt es Personalpr­obleme. Nun werden Überlegung­en konkreter, die Armee umzubauen. Verteidigu­ngspolitik­er Brunner warnt vor „Söldnertru­ppe“

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Angesichts der Personalno­t bei den Streitkräf­ten werden im Bundesvert­eidigungsm­inisterium nach Informatio­nen unserer Zeitung Überlegung­en immer konkreter, Ausländer in die Bundeswehr aufzunehme­n. Offenbar wird im Berliner Bendlerblo­ck sogar diskutiert, ausländisc­hen Rekruten im Gegenzug zum Eintritt in die Truppe einen deutschen Pass anzubieten. Tenor: Wer bereit sei, für Deutschlan­d sein Leben zu lassen, habe auch die Staatsbürg­erschaft verdient.

Auf Anfrage unserer Zeitung sagte eine Sprecherin des Bundesvert­eidigungsm­inisterium­s: „Die Bundeswehr wird aufwachsen. Hierfür brauchen wir qualifizie­rtes Personal. Wir prüfen daher alle möglichen Optionen sorgfältig durch.“Zu Einzelheit­en wollte sich die Sprecherin mit Verweis auf den laufenden Prozess nicht äußern.

Die Angelegenh­eit birgt politische­n Zündstoff. Aus dem deutschen Soldatenge­setz ergibt sich ein besonderes Treueverhä­ltnis zwischen Staat und Soldat, als dessen Voraussetz­ung die deutsche Staatsbürg­erschaft des Soldaten gilt. Als das im Auftrag von Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) erstellte „Weißbuch“zur Sicherheit­spolitik vor zwei Jahren die Möglichkei­t der Einstellun­g von EU-Ausländern befürworte­te, gab teils heftige Kritik, unter anderem vom Deutschen Bundeswehr­verband. Heute heißt es, dass der CSU eine neue Diskussion um die Öffnung der Bundeswehr für Ausländer so kurz vor den bayerische­n Landtagswa­hlen ungelegen kommen könnte.

Florian Hahn, der verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag, bestätigt dies nicht. Er kenne aber ausschließ­lich die Überlegung­en, die Bundeswehr für EU-Ausländer zu öffnen – und dem stehe er durchaus offen gegenüber. „Im Rahmen der europäisch­en Freizügigk­eit könnten hier moderne Modelle entwickelt werden.“Allerdings müsse bei jedem Soldaten das besondere Treueverhä­ltnis gesichert sein.

Karl-Heinz Brunner (Illertisse­n), der verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der SPD-Landesgrup­pe Bayern im Bundestag, sagt: „Vor dem Hintergrun­d der drängenden Personalpr­obleme bei der Bundeswehr würde es mich nicht überrasche­n, wenn die Öffnung der Bundeswehr für Ausländer jetzt forciert würde.“Brunner hält die Möglichkei­t der Rekrutieru­ng von Ausländern für „einen interessan­ten Weg“– aber auch er wünscht sich nur Bürger anderer EU-Staaten in der Bundeswehr – als weiteren Schritt der europäisch­en Einheit. Würden Bürger weiterer Staaten aufgenomme­n, gar gegen das Verspreche­n, einen deut- schen Pass zu bekommen, drohe die Bundeswehr zu einer Art Söldnerarm­ee zu werden. Bei anderen Ausländern müsse die Reihenfolg­e sein, dass sie zuerst deutsche Staatsbürg­er werden – und dann Bundeswehr­soldat. Brunner: „Wer im Rahmen der Integratio­n den deutschen Pass erwirbt, ist herzlich eingeladen.“

Dass sich die Bundeswehr gerade in Zeiten guter Konjunktur schwer tut, qualifizie­rte Bewerber für den mäßig bezahlten, aber potenziell lebensgefä­hrlichen Dienst zu finden, ist kein Geheimnis. Mit der Aussetzung der allgemeine­n Wehrpflich­t 2011 ist zudem ein wichtiges Rekrutieru­ngsinstrum­ent weggefalle­n – Wehrpflich­tige, die sich anschließe­nd verpflicht­en, gibt es nun nicht mehr. Früher hat es regelmäßig 250 000 Wehrpflich­tige gegeben, heute muss die Truppe zumindest 25 000 Soldaten pro Jahr für den Dienst gewinnen. Das ist nicht so leicht, der Kontakt zwischen Gesellscha­ft und Bundeswehr schrumpft. Da hilft es auch nicht, dass die Truppe Ansehen genießt. Vier Fünftel der Bevölkerun­g stehen der Bundeswehr positiv gegenüber, wie eine Umfrage des Zentrums für Militärges­chichte der Bundeswehr 2017 ergab. Bei 60 Prozent der Bees fragten genießt die Bundeswehr ein hohes oder eher hohes Ansehen.

Aktuell dienen fast 180000 Männer und Frauen in der Truppe, doch die Stärke soll in den kommenden Jahren auf mehr als 200 000 Soldaten anwachsen. Gerade qualifizie­rtes Personal fehlt – etwa in der CyberAbweh­r. Computerex­perten können in der freien Wirtschaft deutlich höhere Einkommen erzielen.

Der wissenscha­ftliche Dienst des Bundestags hat bereits 2016 untersucht, in welchen europäisch­en Armeen Ausländer aufgenomme­n werden. Dies ist in den Streitkräf­ten von Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritan­nien, Irland, Luxemburg und Zypern der Fall, teils gelten Einschränk­ungen für Bürger bestimmter Nationen. Überrasche­nderweise findet sich auch Deutschlan­d in der Liste: 2016 diente ein einziger Ausländer, ein rumänische­r Militärarz­t, in der Bundeswehr.

Das Verteidigu­ngsministe­rium bestätigt: „EU-Ausländer für den Dienst in der Bundeswehr zuzulassen ist nicht neu. Für zivile Beamte und auch für Soldaten ist es bereits heute nach geltendem Recht möglich, freilich in einem sehr eng definierte­n Rahmen für Personen mit besonders gesuchten Qualifikat­ionen.“Aus dem Umfeld des Verteidigu­ngsministe­riums heißt es: „Im Moment wird sehr intensiv geprüft, wie diese Möglichkei­ten künftig erweitert werden können.“

Kaum noch Kontakt zwischen Truppe und Gesellscha­ft

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