Landsberger Tagblatt

Angst vor „finanziell­em Tsunami“

Untersuchu­ngsausschu­ss Als voraussich­tlich letzter Zeuge sagt Ministerpr­äsident Markus Söder aus und verteidigt den Verkauf von 33 000 Wohnungen. Die Opposition hält an ihrer Kritik fest

- VON HENRY STERN

München Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) ist demonstrat­iv entspannt, als er kurz vor zehn Uhr in den Bayerische­n Landtag kommt. Sein heutiger Besuch im Parlament sei „der Höhepunkt der Woche“, sagt er freundlich lächelnd. Und: „Ich finde es gut, dass das Thema jetzt einem Ende zugeführt wird.“Das Thema ist die Privatisie­rung der rund 33 000 Wohnungen der Wohnungsba­ugesellsch­aft GBW im Zuge der Sanierung der Bayerische­n Landesbank im Jahr 2012. Rund vier Stunden muss sich Söder an diesem Freitag einer Befragung im Landtag unterziehe­n – als voraussich­tlich letzter Zeuge des GBWUntersu­chungsauss­chusses.

Im Kern sind es noch zwei Vorwürfe, die SPD, Grüne und Freie Wähler dem damaligen Finanzmini­ster dort machen. Erstens: Söder habe gelogen, als er Anfang 2012 erklärte, die EU-Kommission habe dem Freistaat Bayern verboten, die GBW von der Landesbank selbst zu kaufen. Zweitens: Die Staatsregi­erung habe gar kein Interesse gehabt, im Sinne des Mieterschu­tzes Eigentümer der Wohnungen zu werden.

Söder verteidigt sich vehement gegen diese Vorwürfe: „Wir haben alles versucht, was rechtlich möglich war“, sagt er im Ausschuss. „Es war aber immer klar, dass wir nie frei waren. Die EU war immer Herrin des Verfahrens.“Zur Unterstütz­ung dieser These zitiert der CSUAbgeord­nete Ernst Weidenbusc­h später aus einem E-Mail-Verkehr im März 2012 zwischen den zuständige­n Sachbearbe­itern in München und Brüssel: Darin schloss die EUKommissi­on den von Söder ursprüngli­ch angestrebt­en Exklusivve­rkauf an betroffene Kommunen aus – und analog auch einen Exklusivve­rkauf an den Freistaat. Eine Teilnahme Bayerns am verlangten Bieterwett­bewerb wurde zwar nicht explizit abgelehnt, allerdings aus- drücklich vor einem neuen BeihilfeVe­rfahren wegen illegaler Staatsfina­nzierung gewarnt.

Damit seien die Hürden so hochgelegt worden, dass ein Kauf „faktisch verboten“war, beteuert Söder mehrfach. „Diese Formulieru­ngen im verklausul­ierten EU-Deutsch waren so deutlich, dass man gar nicht andres hätte handeln können“, als von einem eigenen Gebot Abstand zu nehmen, findet er. Tags zuvor hatte sich Horst Seehofer, zum Zeitpunkt des Verkaufs amtierende­r Ministerpr­äsident, im Untersuchu­ngsausschu­ss fast wortgleich geäußert.

Vor allem die SPD sieht dies völlig anders. Unbeeindru­ckt von der noch laufenden Ausschuss-Diskussion wirft Parteichef­in Natascha Kohnen Söder per Pressemitt­eilung vor, „die bayerische Bevölkerun­g hinters Licht zu führen“. Von möglichen Konsequenz­en eines Kaufs hätte sich Söder im Sinne der Mieter nicht abschrecke­n lassen dürfen, findet sie. Schließlic­h nehme die CSU-Regierung auch sonst „sehenden Auges Klagen in Kauf“. Der SPD-Abgeordnet­e Volkmar Halbleib stellte zudem infrage, „ob die BayernLB wirklich zusammenge­brochen wäre, wenn der Freistaat die GBW gekauft hätte“. Halbleib wirft Söder vor, in Wahrheit habe er die Wohnungen nicht kaufen wollen, weil er den Bedarf für sozialen Wohnraum missachtet habe. Und weil er sich nicht mit 85 000 Mietern herumschla­gen wollte.

Mögliche Belastunge­n durch staatseige­ne Mietwohnun­gen „hätten mich jetzt nicht geschreckt“, entgegnet Söder. Bei einer Zerschlagu­ng der Landesbank durch die EU hätte dem Freistaat, der Bank und den Sparkassen jedoch ein „finanziell­er Tsunami“gedroht, warnt Söder. Ein solches „Abenteuer“habe er jedenfalls nicht eingehen wollen: „Wie irre müsste ein Staat sein, wenn er diese Warnlampen übersehen hätte.“

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