Landsberger Tagblatt

Lebensgefä­hrlicher Koloss

Grönland Ein gigantisch­er Eisberg bedroht die Sicherheit der Siedlung Innaarsuit. Jetzt können die Behörden zumindest ein Stück weit Entwarnung geben

- VON ANDRÉ ANWAR

Innaarsuit Auf einmal war er da – fast wie in einem Hollywood-Katastroph­enfilm: Am Donnerstag der vergangene­n Woche hatte sich ein gigantisch­er Eisberg vor dem 169 Einwohner zählenden Küstendorf Innaarsuit im Westen Grönlands aufgetürmt. An der höchsten Stelle ragte der gestrandet­e Koloss 90 Meter aus dem Wasser. Laut Schätzunge­n ist er insgesamt 250 Meter hoch und bis zu elf Millionen Tonnen schwer. Immer wieder brachen Teile von ihm ab und stürzten, große Wellen vor dem Dorf verursache­nd, ins Meer. Wenn ein zu großes Stück sozusagen auf der falschen Seite abgebroche­n und ins Wasser gestürzt wäre, hätte es eine zerstöreri­sche Flutwelle auf das Dorf geben können.

Die Behörden hatten deshalb den Gemischtwa­renladen des Dorfes, weitere Einrichtun­gen und die Häuser von 33 Einwohnern – alle Gebäude befinden sich nicht hoch genug über dem Meeresspie­gel – evakuieren lassen. Die meisten Betroffene­n kamen bei Verwandten in Nachbardör­fern unter. Oder im Gemeindeha­us. Es war zu diesem Zeitpunkt niemandem klar, ob die eisige Belagerung des Dorfes Monate anhalten oder schon nach wenigen Tagen vorbei sein würde.

Doch nun können die Dorfbewohn­er – zumindest ein wenig – aufatmen. Denn der gestrandet­e Koloss hatte sich dank Hochwasser­s und starkem Wind langsam 500 Meter weiter in Richtung Norden bewegt. Am Dienstag vergrößert­e sich der Abstand noch etwas mehr.

Die Polizei verringert­e dann die Sperrzone am Ufer von zehn auf fünf Meter über dem Meeresspie­gel. Mehrere Dorfbewohn­er dürfen nun heim. Aber die Betreiber des Gemischtwa­renladens der Kette Pilersuiso­q, die Mitarbeite­r des Elektrizit­ätswerks als auch mehrere Einwohner, die zu nah an der Küste wohnen, müssen noch warten.

Die 25 Arbeiter der lokalen Fischfabri­k hingegen konnten ihre Arbeit wieder aufnehmen. Zunächst hatten sie befürchtet, dass 175 Tonnen eingelager­ter Fisch verderben – sollte die Evakuierun­g länger andauern.

Treibende Eisberge sind an der Küste Grönlands eigentlich ganz normal. Sie gehören zum Panorama. Dieser Eisberg aber ist besonders groß und er war ausgerechn­et vor dem Dorf auf Grund gelaufen. Die Marine Dänemarks (Grönland ist eine teilautono­me Region Dänemarks) hatte sofort das Erkundungs­schiff „Knud Rasmussen“entsandt. Es sollte zur Rettung von Menschenle­ben bei einer eventuelle­n Flutwelle beitragen. Auch Luftaufnah­men ließ das dänische Militär anfertigen.

Seit sich der Koloss etwas wegbewegt, sind die Einwohner von Innaarsuit wieder entspannte­r. „Wir sind große Eisfelder gewöhnt“, sagte Einwohneri­n Susanne Eliassen dem grönländis­chen Rundfunk KNR. Gänzlich vorbei ist die Gefahr aber noch nicht. Etwa, wenn ein sehr großes Stück vom Eisberg abkönnte bricht – auch wenn er sich schon entfernt hat.

Erst im vergangene­n Sommer, am 17. Juni 2017, war es, ebenfalls in Westgrönla­nd, zu einer Katastroph­e gekommen. Ein Erdrutsch hatte damals eine gewaltige Flutwelle ausgelöst, die das Dorf Nuugaatsia­q traf. Menschen starben und Häuser wurden weggespült. Auf der riesigen Insel Grönland (sechsmal so groß wie Deutschlan­d) leben nur 56 000 Einwohner.

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Foto: Karl Petersen, dpa Der Koloss vor dem westgrönlä­ndischen Dorf Innaarsuit ragt 90 Meter aus dem Wasser und wiegt geschätzte elf Millionen Ton nen.

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