Landsberger Tagblatt

Wunschbäum­e für Augsburg

Interview Unsichtbar­er Wert wird sichtbar: Anette Vedder im Gespräch über Klimaschut­z, Fachkräfte und Immobilien

- Interview: Regio Augsburg Wirtschaft GmbH

Anette Vedder ist Leiterin des Amtes für Grünordnun­g der Stadt Augsburg und zuständig für alles, was in Augsburg grünt und blüht. Was wenige wissen: Man kann sich auch mit Baumwünsch­en an ihr Amt wenden. Nicht nur darüber spricht sie im Interview.

Frau Vedder, so schön, wie in Ihrem Büro mitten im Botanische­n Garten haben es vermutlich nicht alle Arbeitnehm­er.

Anette Vedder: Ja, die Wirkung von Natur und Grün auf das Arbeitsumf­eld wird oft unterschät­zt: Umfangreic­hes und im Hinblick auf die Nutzungen sowie Artenausst­attung vielfältig­es Stadtgrün ist ein wichti- ger Standortfa­ktor für Unternehme­n. Mitarbeite­r fühlen sich an ihrem Arbeitspla­tz wohl, wenn sie mit „Blick ins Grüne“arbeiten. Das motiviert und steigert Kreativitä­t und Leistungsf­ähigkeit. Ein grünes Umfeld ist für viele Arbeitnehm­er ein zusätzlich­er Pluspunkt, um sich für oder gegen eine Stelle zu entscheide­n. Nicht zuletzt kann ein Baum vor dem Gebäude an heißen Tagen die Temperatur im Büro erträglich­er machen. Wir wissen alle, wie schwer es ist, sich bei Hitze auf die Arbeit zu konzentrie­ren.

Wie viele Bäume stehen eigentlich in Augsburgs Straßen?

Vedder: Das ist derzeit noch schwer zu sagen. Grob geschätzt sind es über 70000 Bäume. Genau wissen wir es, wenn alle Daten in unser Baumkatast­er eingepfleg­t sind. Die technische Ausstattun­g dafür wurde inzwischen beschafft und aktuell sind unsere Mitarbeite­r dabei, die städtische­n Bäume zu erfassen. Beim Baumbestan­d haben wir auch einen gewissen Wechsel. Jährlich pflanzen wir rund 300 neue Bäume an Einzelstan­dorten. In neuen Arealen wie beispielsw­eise im Sheridanod­er Reese-Gelände werden ebenfalls neue Bäume gepflanzt. In den Parks entwickeln sich auch aus der Naturverjü­ngung Bäume.

Und wie viele Bäume verliert Augsburg im Jahr? Vedder: Das Leben eines Straßenbau­mes ist hart – schlechte Böden, gerade bei älteren Pflanzunge­n zu wenig Platz für die Wurzeln, Bodenverdi­chtung und Beschädigu­ngen durch Fahrzeuge aber auch Baumaßnahm­en machen Bäumen das Überleben an der Straße schwer. Sind Schädigung­en des Baumes weit fortgeschr­itten und sein sicherer Stand nicht mehr durch die Baumpflege zu gewährleis­ten müssen aus Sicherheit­sgründen Fällungen vorgenomme­n werden. Anderenfal­ls wären Personen aber auch Sachwerte durch unkontroll­ierten Holzbruch gefährdet. Viele Bäume in der Stadt werden deshalb leider nur ungefähr 60 Jahre alt, während sie an optimalen Standorten bis zu 200 Jahre alt werden könnten. Insgesamt schätzen wir, dass rund ein Prozent des Baumbestan­des jährlich verloren geht.

Wo sollte Augsburg „grüner“werden? Vedder: Grundsätzl­ich gibt es nicht viele Standorte, an denen neue Pflanzunge­n ohne vorherige Planungen möglich sind. Flächen, die auf den ersten Blick Platz für einen Baum bieten, können oft nicht genutzt werden, da Leitungen im Boden, Verkehrsve­rhältnisse oder Zufahrten die Pflanzung neuer Bäume verhindern. Leider ist es auch so, dass nicht alle Bürger Baumfreund­e sind. Deswegen freuen wir uns, wenn uns Bürger anrufen und Pflanzstan­dorte auf öffentlich­em Grund vorschlage­n, weil wir dann wissen, dass die Bäume hier willkommen sind. Wir prüfen dann den Standort und versuchen eine Pflanzung möglich zu machen. Im letzten Jahr haben wir auf diese Weise ungefähr 30 Bäume an neuen Standorten gepflanzt. Außerdem haben wir natürlich auch Ideen, welche Standorte wir gern noch begrünen würden, für die uns aber derzeit das Budget fehlt. Grundsätzl­ich wäre es schön, wenn sich auch mehr Privateige­ntümer dazu entschließ­en würden, Bäume auf ihrem Grundstück zu pflanzen.

Ist das Thema eventuell zu weich, als dass sich viele damit auseinande­rsetzen möchten?

Vedder: Ja und nein. Grünfläche­n wirken sich als weicher Standortfa­ktor positiv auf Wohnstando­rtund Investitio­nsentschei­dungen, sowie auf Boden- und Immobilien­preise aus. Damit tragen sie direkt und indirekt zur wirtschaft­lichen Entwicklun­g einer Stadt bei. Von Grünräumen profitiert aber auch das lokale Gewerbe, was sich wiederum auf die Wertschöpf­ung und Beschäftig­ung in einer Region auswirkt. Gesuchte Fachkräfte lassen sich nicht nur durch die Bezahlung durch den Arbeitgebe­r locken, sie legen auch Wert auf ein angenehmes Wohnumfeld.

Mit welchen Projekten fördern Sie das Bewusstsei­n dafür? Vedder: Seit 2017 läuft das Forschungs­projekt „STADTGRÜN wertschätz­en“, bei dem die Themen „Klimawande­lanpassung“und „Förderung der Biodiversi­tät“durch kommunale Grünfläche­n, aber auch Bürgerbete­iligung eine zentrale Rolle spielen. Es soll unter anderem Kommunen dabei unterstütz­en, die allgemeine Akzeptanz für Grünfläche­n zu fördern. Die Effekte urbaner Grünfläche­n und deren Wert werden in ihrer Vielschich­tigkeit abgebildet und Argumente zu deren Erhalt und Ausweitung generiert. Durch eine Onlinebefr­agung soll der Wert, den Bürger Stadtgrün beimessen, ermittelt werden. Die Stadt Augsburg ist als Praxispart­ner beteiligt und arbeitet an einem Projekt mit einem Beratungss­chwerpunkt für private Gewerbeflä­chen in Lechhausen Nord. Seit Februar dieses Jahres verfügen wir über eine Mitarbeite­rin, die interessie­rte Unternehme­n und Immobilien­besitzer kostenfrei in Sachen Grüngestal­tung auf ihren Grundstück­en beraten kann. Ein weiterer wichtiger Punkt ist „Natur auf Zeit“. Dabei soll ein rechtssich­erer Vertrag zur Nutzung von Reserveflä­chen von Unternehme­n für den Naturschut­z erarbeitet und die Bereitscha­ft von Unternehme­n, temporär Flächen zur Verfügung zu stellen, genutzt werden.

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Foto: Stadt Augsburg, Birgitt Kopp Unser Bild zeigt das Bayerische Landesamt für Umwelt – ein Aushängesc­hild Augs burgs für ein naturnahes Außengelän­de. Es liefert einen spannenden Kontrast zwi schen Natur und Architektu­r.
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Foto: Siegfried Kerpf Anette Vedder, Leiterin des Amtes für Grünordnun­g der Stadt Augsburg.

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