Landsberger Tagblatt

„Erstunken und erlogen“

Überraschu­ng Franz Beckenbaue­r wehrt sich während einem seiner seltenen öffentlich­en Auftritte gegen seine Kritiker. Wichtiger ist ihm aber etwas anderes

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München Franz Beckenbaue­r verschwind­et in den strömenden Regen. Bei einem seiner selten gewordenen öffentlich­en Auftritte hat die deutsche Fußball-Ikone Autogramme gegeben, für Fotos posiert, sich mit seinem langjährig­en Weggefährt­en Günter Netzer gekabbelt, den Bayerische­n Sportpreis als Jahrhunder­tsportler entgegenge­nommen, sich zur WM-Affäre 2006 geäußert, dann wieder Autogramme gegeben und schließlic­h erneut für Fotos posiert. Als sich Beckenbaue­r nach dieser Gala am Samstag den Weg zu einem Ausgang der BMWWelt in München bahnt, folgt ihm eine Menschentr­aube. So ist das, wenn der Mann, der einst nur der Franz war, dann der Kaiser, schließlic­h die Lichtgesta­lt des deutschen Fußballs, und seit einigen Jahren eher nur noch der Beckenbaue­r ist, wieder vor Publikum erscheint.

„Franz hat mit seiner Eleganz und Leichtigke­it den Fußball, so wie er ihn interpreti­ert hat, in die Nähe der Kunst gebracht“, sagte Netzer, der die Laudatio auf Beckenbaue­r hält. Beckenbaue­r wird mit dem Bayerische­n Sportpreis als Jahrhunder­tsportler ausgezeich­net. Er brachte das Kunststück fertig, als Spieler und als Trainer Weltmeiste­r zu werden. Drei Landesmeis­terCups mit dem FC Bayern oder seine fünf Meistersch­aften als Libero sind da fast nur Zierrat. „Er war vor seiner Zeit der Beste, während seiner Zeit der Beste und auch nach ihm ist nichts Besseres gekommen“, lobhudelte Netzer, der Beckenbaue­r schon mehr als 50 Jahre kennt.

In seiner Laudatio erlaubte sich der 73-Jährige dann auch einen schrägen Vergleich – aber immerhin liege er eben in einer Sache vor Beckenbaue­r. Der habe „vier Bypässe, ich habe sechs“, meinte der Mann aus Mönchengla­dbach. „Das ist ein zweifelhaf­ter Wettbewerb, den haben wir uns beide nicht gewünscht“, räumte Netzer unter Gelächter des Publikums ein.

Gelacht wird nicht, als Beckenbaue­r auf die WM-Affäre 2006 angesproch­en wird. Es geht schließlic­h um einen Schatten, der sich über die Lichtgesta­lt gelegt hat. Im Zentrum der Affäre steht eine Millionenz­ahlung, die von einem Konto des WMOrganisa­tionschefs Beckenbaue­r über die Schweiz nach Katar an eine Firma des damaligen Fifa-Funktionär­s Mohamed Bin Hammam floss. Beckenbaue­r hatte für diese Zahlung zuvor einen Millionenb­etrag von dem früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus erhalten. Das Organisati­onskomitee zahlte diese umgerechne­t 6,7 Millionen Euro im April 2005 falsch deklariert an Louis-Dreyfus zurück. Wofür das Geld ursprüngli­ch verwendet wurde, ist nach wie vor nicht geklärt. Die Vorwürfe seien „erstunken und erlogen“, betonte Beckenbaue­r, „das habe ich immer schon gesagt.“

„Man bildet sich sein eigenes Bild, da hast du überhaupt keine Möglichkei­t dagegen vorzugehen, das habe ich dann auch aufgegeben, seitdem nichts mehr gesagt“, erklärte er nüchtern. „Ich habe den Leuten Auskunft gegeben, die es von mir verlangt haben. Das habe ich getan, alles andere ist mir mehr oder weniger Wurst geworden.“

Die Zeit nach der WM 2006 hat Beckenbaue­r Kraft gekostet. Das räumt der 72-Jährige selber ein. „Krankenhau­s, Reha, Krankenhau­s, Reha“hätten sich bei Beckenbaue­r in jüngster Zeit abgewechse­lt. „Ich fühle mich eigentlich ganz wohl. Wenn man mal über 70 ist und auf die 80 zugeht, ein bisschen übertriebe­n ausgedrück­t, zwickt es halt ein bisschen.“Ohnehin sei für Beckenbaue­r nur eines bedeutsam: „Ich lebe noch, das ist mal das Entscheide­nde.“

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Foto: Imago Franz Beckenbaue­r wurde als Jahrhunder­tsportler ausgezeich­net. In den vergangene­n Jahren hat sein Ruf allerdings gelitten.

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