Landsberger Tagblatt

„Ich müsste dabei sein“

Leichtathl­etik Robert Harting war lange die Nummer 1 der Diskus-Welt. Die EM in Berlin soll sein Abschied werden. Aber wird er als Dritter der deutschen Meistersch­aft überhaupt nominiert

- VON STEFANIE WAHL

Nürnberg Das perfekte Bewegungsm­uster ist weg. Passen zwei, drei technische Details nicht, macht sich diese Anfälligke­it breit, die Robert Harting noch immer unterschät­zt. „Das war früher nicht“, sagt er, „aber jetzt ist es eben so.“Ausgerechn­et jetzt. In zwei Wochen soll bei der EM in Berlin (6.–12. August) seine große Karriere enden. Im Olympiasta­dion, wo 2009 mit dem ersten WM-Titel die Harting-Saga beginnt, mag dieser Hüne mit kurzem Haar und dem länger gewordenen Bart bei der EM Adieu sagen.

Doch Robert Harting ist 33 Jahre, seine Malaisen mannigfalt­ig und die Auswirkung­en der Anfälligke­it spürt er auf garstige Weise. Zwar schafft er mit 65,13 Meter die EMVorgabe, damit war er vor den deutschen Meistersch­aften aber nur die nationale Nummer fünf. Längst ist die Alleinherr­schaft des Olympiasie­gers dahin. Am Samstagabe­nd in Nürnberg segelte Robert Hartings Scheibe auf 63,92 Meter. Zu wenig, um klare Verhältnis­se zu schaffen. Zu gebremst ist nicht nur die Beinarbeit. Rang drei hinter dem ungeliebte­n Bruder Christoph, dessen meisterlic­he 66,98 Meter der einzige Wurf bleiben: Den Migräne-Patienten plagen höllische Kopfschmer­zen. Dennoch: Neben dem Zweiten mit 64,82 Meter, Daniel Jasinski („Ich gönne es Robert, dass er nun gute Chancen hat, in Berlin dabei zu sein.“), schlägt Bundestrai­ner Marko Badura dem Bundesauss­chuss Leistungss­port (BAL), heute Robert Harting, den er seit November 2016 betreut, für die EM-Nominierun­g vor. Aus fünf mach drei, eine knifflige Entscheidu­ng, denn Harting, der Ältere, liegt nur eine Dis- kuslänge vor Martin Wierig (4./63,72), der – datiert aus Mai – allerdings eine knapp zwei Meter bessere Saisonbest­weite stehen hat. Spricht das direkte Duell unter gleichen Bedingunge­n für Harting? Wierig meint: „Die Problemati­k haben wir nicht erst seit heute, ich versteh halt nicht, warum man keine klaren Richtlinie­n macht. Die Situation ist für die Athleten eine Katastroph­e.“Idriss Gonschinsk­a, der Leitende Direktor Sport des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes (DLV), kontert, die Regularien seien eindeutig.

„Es ist generell kritisch“, meint Robert Harting nach seiner ersten Bronzemeda­ille, „das war nicht so überzeugen­d von mir.“Doch auch der kritische Geist moniert die unterschie­dlichen Vornominie­rungen: „Da hat man Pech, wenn man in der falschen Disziplin ist und eine hohe internatio­nale Dichte hat. Man müsste sich auf einen faireren Code einigen. Das ist schon eine krasse Sache.“Ein Beispiel: Hürdenspri­nterin Pamela Dutkiewicz ist als 13. der Welt vornominie­rt, Wierig an gleicher Position nicht.

Für Harting ist klar: Aufgeben ist keine Option. Obwohl sein Körper einiges hinter sich hat. Im September 2014 riss das Kreuzband, im Frühjahr die Quadrizeps­sehne im rechten Knie. Eine Operation ist unumgängli­ch – nur bitte erst nach der EM. Dafür geht Robert Harting hohes Risiko ein. Gesundheit­lich, weil er sich die Sehne spritzen lässt. Das ist nicht ungefährli­ch. Die Sehne ist nun weicher, aber wie ausgetrock­net, um den Schmerz zu reduzieren. Dafür hat sie weniger Halt und mit jeder Trainingse­inheit steigt die Gefahr, dass sie reißt. Harting pokert für ein standesgem­äßes Ende seiner außergewöh­nlichen Laufbahn.

Würde sich Robert Harting selbst nominieren? Der Berliner wählt einen Vergleich aus dem Boxen: „Steht es da unentschie­den, bleibt der Titelverte­idiger Titelträge­r, weil der Herausford­erer immer mehr machen muss. Zwei haben es getan, die anderen nicht. Daher müsste ich dabei sein.“

„Da hat man Pech, wenn man in der falschen Disziplin ist und eine hohe internatio­nale Dichte vorhanden ist.“

Robert Harting zur Konkurrenz

im Diskuswerf­en

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Der Körper will nicht mehr so, wie es der Athlet gerne hätte: Für den WM Start in Berlin geht Robert Harting ein hohes Risiko ein.
Foto: Sven Hoppe, dpa Der Körper will nicht mehr so, wie es der Athlet gerne hätte: Für den WM Start in Berlin geht Robert Harting ein hohes Risiko ein.

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