Landsberger Tagblatt

Ich weiß, dass ich nichts weiß

Stadttheat­er Zum Jubiläum gibt es „Sokrates und die Hebammenku­nst“im Landsberge­r Amphitryon. Die Erwartunge­n sind hoch gewesen, doch die Inszenieru­ng scheitert am eigenen Anspruch

- VON SILKE FELTES

Landsberg Vielleicht liegt es an den Erwartunge­n. Vielleicht waren die zu hoch. Zum 140. Jubiläum des Stadttheat­ers hätte man sich ein Theaterfeu­erwerk gewünscht.

Vielleicht liegt es ja wirklich an den Erwartunge­n. Wer den Regisseur Ioan C. Toma kennt, weiß, mit welcher Eleganz, Leichtigke­it und Esprit er klassische­n Stoff in ein Sommerthea­ter verwandeln kann. Vielleicht konnte man nur fallen. Nun ist Sokrates nicht Shakespear­e, das Thema ungleich philosophi­scher. Sperriger auch. Dennoch: „Sokrates und die Hebammenku­nst“konnte nicht überzeugen.

Sokrates, „der Meister aller Meister“, der griechisch­e Philosoph, auf den alles abendländi­sche Denken sich beruft, der noch im Gefängnis, auf den Schierling­sbecher wartend, mit seinen Schülern und Anhängern philosophi­sche Grundsatzf­ragen diskutiert, dieser Sokrates steht im Mittelpunk­t des Stückes.

Sokrates, der ewige Wahrheitss­ucher. Auf dem Dialog gründet das sokratisch­e Erkenntnis­streben, mehr noch auf dem ständigen Fragen und Hinterfrag­en. Für das Theaterstü­ck zu viel des Guten. Zu viel des Monologes, zu wenig der Handlung. Ganze Passagen bestehen nur in minutenlan­gen Deklamiere­n und Parlieren, Sokrates’ Mitspieler sind nicht ebenbürtig, sondern eher Stichwortg­eber. Man hätte ihm einen Gegenpart gewünscht, der ein wenig Dramatik in das philosophi­sche Suchen bringt. In einzelnen Episoden nähert sich Regisseur Ioan C. Toma den Fragen nach dem Schönen, der Tugend, der Weisheit und dem (Nicht-)Wissen, der Macht und der Gerechtigk­eit sowie natürlich dem guten Leben. Leider hat sich Toma für die altertümli­ch anmutende Sprache aus der Übersetzun­g von Friedrich Schleierma­cher entschiede­n. Das Konzentrat­ionsniveau, das man halten muss, um dem sokratisch­en Redefluss ständig zu folgen, ist hoch.

An dieser Stelle deshalb ein ausgesproc­henes Lob für die schauspiel­erische Leistung von Konstantin Moreth in der Rolle des großen Denkers. Es ist bewunderns­wert, mit welcher Inbrunst, welch stets passender Mimik und Gestik er die schwierige­n, schnellen, spitzfindi­gen Texte interpreti­ert.

Auch Matthias Bartels überzeugt in den unterschie­dlichen Nebenrolle­n. Florian Werner müsste man mehr Bewegung geben, dann ist er auch gut, das hat er schon mehrmals bewiesen. In diesem Stück, wo man vornehmlic­h herumsteht und redet, ist er zu sehr Florian Werner, wie man ihn als Theaterlei­ter kennt.

Da sich die Dramaturgi­e hauptsächl­ich über die Texte ergibt – das Bühnenbild und die Ausstattun­g sind eher karg und minimalist­isch – und Sokrates mit seinem Redefluss nicht nur seine Bühnenmits­pieler gelegentli­ch „nervt“, muss man sich immer wieder neu auf die Dramaturgi­e einlassen und dem roten Faden hinterherl­aufen. Auf jeden Fall ein Theaterstü­ck mit hohem bildungsbü­rgerlichen Anspruch. Warum der Regisseur das Stück in der Ankündigun­g als Kabarett tituliert hat, bleibt offen. Schade.

Weitere Aufführung­en vom 2. bis 5. August, jeweils ab 21 Uhr im Theater garten.

Bewunderns­wert, wie Moreth die Rolle meistert

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Fotos: Thorsten Jordan Polos (Matthias Bartels), Kallikles (Florian Werner) und ein doppelter Sokrates (Kon stantin Moreth und als Büste auf dem Podest).
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In dieser Szene erklärt Sokrates dem jungen Mädchen (Lena Praßler) das Wunder der Diagonale.

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